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Oberösterreichischer Volksbildungsverein

Habsburgermonarchie

Der Oberösterreichische Volksbildungsverein wurde 1872 in Linz unter der Leitmaxime „Wissen ist Macht“ gegründet. Er setzte als erster wirklich vereinsmäßiger Zusammenschluss nicht nur für die Volksbildung in Oberösterreich wichtige Akzente, sondern war auch für die Gründung weiterer Bildungsvereine in andere Kronländer des alten Österreichs beispielgebend.

Sowohl die Vereinsobmänner als auch die führenden Vereinsfunktionäre rekrutierten sich aus dem Bildungs- und Besitzbürgertum. Vor allem das Engagement der Lehrerschaft für die Volksbildung war das Fundament der Bildungsarbeit des Vereins.

Die satzungsmäßigen Ziele des Volksbildungsvereins waren die Errichtung und Förderung von Bildungsanstalten (Kindergärten, Fortbildungskurse u.s.w.), die Unterstützung von Volksschulen mit Lehr- und Lernmitteln, die Gründung und Erweiterung von Schul- und Volksbibliotheken, die Herausgabe und Verbreitung von Schriften, die Veranstaltung von öffentlichen Vorträgen sowie die Aussendung von Wanderlehrern.

Neben der Errichtung eines Netzes von Zweigstellen und der finanziellen Förderung des Aufbaus von Volksbüchereien in ganz Oberösterreich entwickelte sich ein intensives Vortragswesen mit Fortbildungskursen. Diese wurden primär an Sonntagen am Nachmittag (nach dem obligatorischen Kirchgang) abgehalten und waren über das ganze Land verteilt. Diese Sonntagsvorträge wurden auf den jeweiligen Zuhörerkreis abgestimmt und dienten in gemeinverständlicher und anschaulicher Weise der Vermittlung von lebens- und berufsbezogenen nützlichen Kenntnissen und der Erweiterung der Allgemeinbildung aller Stände. Neben Naturgeschichte und Naturlehre, Forst- und Landwirtschaft sowie Volkswirtschaft wurden Vorträge zur Erd- und Himmelskunde, Heimat- und Völkerkunde, allgemeinen Geschichte aber auch über (Volks-)Gesundheitswesen und Hygiene veranstaltet.

Neben der Förderung der beruflichen und allgemeinen Bildung unterschiedlichster Bevölkerungs- und Berufsgruppen wies der Oberösterreichische Volksbildungsverein auch der Aufrechterhaltung und Pflege von Tradition und Brauchtum eine große Bedeutung zu. Zur Wahrung der Sitten und Gebräuche der Ahnen im immer schnelleren Wandel der Zeit sah man vor allem in der Volks- und Landeskunde wichtige volksbildnerische Betätigungsfelder.

Neben den mannigfachen internen Vereinsaktivitäten war aber auch die Wirkung des Volksbildungsvereins auf die Entwicklung der Volksbildung in Österreich nicht unbedeutend. Auf Initiative des Oberösterreichischen Volksbildungsvereins fand 1884 in Aussee der erste allgemeine Volksbildungstag der Habsburgermonarchie statt. Dieses Zusammentreffen wurde für die weitere Entwicklung der cisleithanischen Volksbildung entscheidend. Denn die Tagung hatte nicht nur erheblichen Einfluss auf die daran teilnehmenden Vertreter der umliegenden Arbeiterbildungsvereine. Die Teilnahme an der Tagung bildete für den Kremser Bürgerschullehrer Hans Hütter den Anstoß, im November 1885 einen eigenen Niederösterreichischen Volksbildungsverein in Krems zu gründen, aus dem zwei Jahre später der Wiener Volksbildungsverein hervorging.

Die volksbildnerische Bilanz war kurz vor dem Ersten Weltkrieg äußerst positiv. Stolz konnte der Historiograf des Oberösterreichischen Volksbildungsvereins, Karl Timmel, 1912 feststellen: „Für die Verallgemeinerung des menschlichen Wissens, die Gesellschaft zu eigenem Denken anzuregen, die verschiedenartigen Berufe durch entsprechende Bildung, durch Einsicht in ihre Tätigkeit selbstständiger, tüchtiger, erwerbsfähiger und glücklicher zu machen, war wohl keine Zeit tätiger als die gegenwärtige.“

Der Erste Weltkrieg bedeutete eine starke Zäsur in der Entwicklung der Volksbildung in Oberösterreich. Die Zahl der Mitglieder des Volksbildungsvereins sank deutlich ab, die Vereins- und Vortragstätigkeit litt unter den Kriegsbedingungen. Die Tätigkeit des Volksbildungsvereins konzentrierte sich in dieser Zeit auf Kriegsfürsorge, Wohltätigkeitsveranstaltungen, Ausspeisungen, Sammelaktionen und die Betreuung von Kindern und Jugendlichen, die im Krieg oft genug sich selbst überlassen blieben. In diesen Zeiten der Not sah die Volksbildung ihre Aufgabe auch in der karitativen Unterstützung des Volkes erfüllt.

Erste Republik

Das Ende des Ersten Weltkrieges stellte den Oberösterreichischen Volksbildungsverein vor eine völlig andere Situation. Das auf eine kleine Republik zusammengeschrumpfte „Restösterreich“, an dessen ökonomischer und staatspolitischer „Lebensfähigkeit“ weite Teile der Bevölkerung und der politischen Eliten zweifelten, bot denkbar schlechte Ausgangsbedingungen für eine gedeihliche Entwicklung der Volksbildung.

Mit der Gründung der Republik änderte sich die Position des Staates gegenüber der allgemeinen Volksbildung grundlegend. Otto Glöckel konnte als Unterstaatssekretär für das Unterrichtswesen wenn auch nur für kurze Zeit entscheidende Reformschritte im Unterrichts-, Bildungs- und Volksbildungswesen setzen. Im Rahmen dieser Erneuerungsversuche im gesamten Bildungswesen sollte die Volksbildung als dritte Säule neben Grundschule und Universität aufgewertet werden. Es wurden neue Organisationsstrukturen geschaffen und vorhandene Volksbildungsbestrebungen konzentriert. Am 30. Juli 1919 wurde das „Regulativ für die Organisation des Volksbildungswesens“ erlassen, das die Förderung des allgemeinen Volksbildungswesens als Pflicht des Staates festschrieb und eine eigene Abteilung für das Volksbildungswesen im Unterrichtsamt sowie Länderreferenten für die Volksbildung („Bundesstaatliche Volksbildungsreferenten“) in allen Bundesländern außer in Wien und Vorarlberg etablierte. Das ministerielle Volksbildungsamt entwickelte sich auch nach dem Ausscheiden der Sozialdemokraten aus der Regierung zu einer volksbildnerisch-politischen Beratungs-, Steuerungs- und Finanzierungsstelle.

In den Bundesländern wurden Anfang der 20er Jahre „Landesreferate für das Volksbildungswesen“ mit Sitz beim Landesschulrat (ab 1927 in „Bundesstaatliche Volksbildungsreferate“ umbenannt) eingerichtet. Das Landesreferat für das Volksbildungswesen in Oberösterreich nahm 1921 seine Tätigkeit in Linz auf. Seine Aufgaben umfassten die Mitwirkung bei der Ausbildung des Lehrpersonals, die Koordination des Vortrags- und Büchereiwesens, die Förderung, Verwaltung und Verteilung von staatlichen Subventionsmitteln für die Volksbildung und das Volksbüchereiwesen, die Erarbeitung von Konzepten und Initiativen zur Entwicklung neuer Volksbildungseinrichtungen sowie die Herausgabe von Publikationen.

Unterhalb des Landesbildungsrats war die Errichtung von Kreisbildungsräten vorgesehen, denen die Koordination der regionalen Volksbildungstätigkeit oblag, sowie von Ortsbildungsräten als zentrale Vermittler der praktischen Bildungsarbeit vor Ort. Diese Untergliederungen wurden nie verwirklicht.

Parallel zum Scheitern dieser bundesweiten Organisationsversuche kam es auch auf Landesebene zu Bemühungen um die Vereinheitlichung der Volkserziehung und Volkswohlfahrt. Auf die vorrangige Initiative von Wilhelm Gärtner, Mittelschullehrer und Direktor des Realgymnasiums Linz, Obmann des Lehrervereins „Mittelschule“ in Oberösterreich und Salzburg sowie Mitglied des Hauptausschusses des Oberösterreichischen Volksbildungsvereins, erfolgte mit der Gründungsversammlung am 19. Jänner 1919 in Linz die Einrichtung eines „Landesverbands zur Förderung der Volksbildung in Oberösterreich“. Dieser Verband war als eine überparteiliche, unabhängige, überkonfessionelle und alle Schichten einschließende Zentralstelle für Volksbildungstätigkeiten gedacht. Seine Aufgaben sollten in der Kooperation beim Vortrags-, Kurs- und Veranstaltungswesen, in der Gründung und Unterstützung von Volksbüchereien, Lesehallen, Regionalmuseen und Volksheimen in Stadt und Land, in der Förderung der körperlichen Ertüchtigung des Volkes sowie in der Herausgabe von volkstümlichen Schriften liegen. Die katholischen Volksbildungsvereinigungen verweigerten sich diesem Vorhaben und schlossen sich Adalbert Depiny, dem Leiter des Volksbildungsreferates an. Aufgrund dieser Doppelgleisigkeit und wegen finanzieller Schwierigkeiten musste der Landesverband bereits Ende 1919 seine organisatorische Tätigkeit einstellen. Kurse, Vorträge, Arbeitsgemeinschaften und Musikveranstaltungen wurden zwar weiterhin abgehalten, doch das angestrebte Ziel, alle Volksbildungseinrichtungen des Landes unter einem Dach zu vereinen, blieb unerreicht. 1922 beendete der Verband seine Tätigkeit endgültig.

Weiterführende Literatur:

Dostal, Thomas: „Die Menschen haben unaufhörlich zu lernen ...“. Zur Geschichte des Verbandes Oberösterreichischer Volkshochschulen. In: Hummer, Hubert/Kalliauer, Günter (Hg.): 50 Jahre Verband Oberösterreichischer Volkshochschulen, Linz 2006, S. 14-122.

Rinner, Jutta: Die Entwicklungsgeschichte der allgemeinen Volksbildung: Ein Vergleich der Bundesländer Oberösterreich und Wien, beginnend bei den Anfängen im 19. Jahrhundert bis zur erneuten Etablierung nach dem Zweiten Weltkrieg, Diss. Univ. Linz 1996.

Wenisch, Ernst: Wilhelm Gärtner und die Neuanfänge der Volksbildung in Oberösterreich nach dem Ersten Weltkrieg. In: Oberösterreichische Heimatblätter, 35. Jg., 1981, Heft 1/2: Volksbildung und Heimatpflege in Oberösterreich. "Inmitten der Mensch". Zur Geschichte, Theorie und Praxis, S. 86-98.

Oberösterreichischer Volksbildungsverein_Männer Die bürgerlichen Honoratioren des Oberösterreichischen Volksbildungsvereins
Oberösterreichischer Volksbildungsverein_Frauen Die Linzer Frauengruppe des Oberösterreichischen Volksbildungsvereins
Volksheim Linz Das aufgrund des Ersten Weltkriegs nicht realisierte Gebäude des Oberösterreichischen Volksbildungsvereins in Linz nach einem Plan des bekannten Architekten Julius Schulte.