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Urania Wien

Von der Praterattraktion...

Im Jahr 1897 taten sich einige junge Mitglieder des Niederösterreichischen Gewerbevereines zusammen, um ein besonderes Projekt für die zum 50-jährigen Regierungsjubiläum Kaiser Franz Josephs I. geplante Ausstellung im Prater zu konzipieren. Man einigte sich schließlich darauf, ein nach dem Vorbild der Berliner Urania gestaltetes populärwissenschaftliches Institut zu gründen. Im Februar 1897 konstituierte sich der Gründungsausschuss des Syndikats Urania. Als Präsident fungierte der Fabrikant Karl Josef Hetzer, die Funktion des Schriftführers übernahm der Rechtsanwalt Ludwig Koessler, Direktor wurde der frühere Kustos am Naturhistorischen Museum, Aristides Brezina.

Im folgenden Jahr 1898 wurde auf dem Ausstellungsgelände ein „Urania-Theater“ – ein Holzgebäude mit einem großen Vortragssaal, einer Sternwarte und Nebenräumen für kleinere Ausstellungen – errichtet. Umgeben war das Gebäude von einem botanischen Garten.

Die mit den damals modernsten technischen Mitteln präsentierten Vorträge waren große Publikumserfolge, wie auch die Möglichkeit, in Labors selbst Versuche und Experimente durchzuführen, von vielen BesucherInnen wahrgenommen wurde.

Nach dem Ende der Kaiser-Jubiläums-Ausstellung wurde das Ausstellungsgelände geräumt, wodurch die Anziehungskraft des Platzes erlosch. Die Urania verlegte ihre Tätigkeit in angemietete Räume in der Wollzeile im 1. Wiener Gemeindebezirk. Zur gleichen Zeit wurden auch organisatorische und personelle Veränderungen vorgenommen. Ludwig Koessler übernahm die Präsidentschaft und bildete das Syndikat im Jahr 1901 in einen Verein um. Als neuer Direktor wurde der Geograf Friedrich Umlauft bestellt.

... zum Wiener Wahrzeichen

Nach und nach nahm die Bildungstätigkeit der Wiener Urania an Umfang zu, so dass die vorhandenen Räumlichkeiten nicht mehr ausreichten. Dies und die wachsenden Betriebsaufwendungen ließen den Plan reifen, dem Beispiel der Volkshochschule Volksheim Ottakring zu folgen und ebenfalls ein eigenes Gebäude anzustreben. Nachdem die Stadt Wien am Aspernplatz – heute Julius-Raab-Platz – im 1. Wiener Gemeindebezirk ein Grundstück zur Verfügung gestellt hatte, wurde im Jahr 1905 mit dem Bau des Hauses nach Plänen des Architekten Max Fabiani begonnen. Nach fünfjähriger Bauzeit konnte das Gebäude im Jahr 1910 seiner Bestimmung übergeben werden. Auch in diesem Fall wurde der Bau durch großzügige Spenden von privater Seite ermöglicht.

Der Stil des Hauses und seine prominente Lage ließen es bald zu einem Wiener Wahrzeichen werden: „Am Ende des Schottenrings, wenn man zum Kai kommt, ist schon von weitem ein riesiges, weißes Gebäude sichtbar. Sein Stil und die Architektur sind scharf abweichend von den anderen Palästen ringsherum. Wie wenn es ein Turmtorso einer Kirche wäre. Es ist wirklich eine Kirche: ein Tempel der Wissenschaft. Die Fenster sind Augen, die die Erde und den Himmel untersuchen. Auf dem Giebel funkelt der vergoldete Globus.“ So beschrieb Feliczian Kupcsay aus Budapest das neu errichtete Volksbildungshaus.

Die „Marke Urania“

Der Stil des Urania-Bildungsangebots unterschied sich markant von den Veranstaltungsformen der anderen Volksbildungseinrichtungen. „Die Lehrmittel waren das naturwissenschaftliche Drama, in welchem den breiten Schichten der Bevölkerung der Kampf des Menschen mit den Naturgewalten und die technischen Errungenschaften mit den Mitteln der Theaterkunst volkstümlich veranschaulicht wurden, die allgemein zugängliche Urania-Sternwarte, verbunden mit astronomischen Vorträgen, und das selbsttätige physikalische und chemische Experiment, welches die Besucher mühelos durch einen elektrischen Taster in Bewegung setzen und an der Hand von beigegebenen gedruckten Erklärungen leicht verfolgen und verstehen konnten“, so Ludwig Koessler.

Das Bemühen, Wissensvermittlung zu einem die Sinne ansprechenden Bildungserlebnis zu machen, war das Markenzeichen der Urania. Man war daher auch stets bemüht, Neuentwicklungen der Präsentationstechnik umgehend in Verwendung zu nehmen. Vom frühen Einsatz von Glaslichtbildern mittels Skioptikon (wie diese frühen Projektoren genannt wurden) zur Untermalung von auch mit Musik begleiteten Vorträgen und dem Einsatz der Vorformen der Überblendtechnik bis zum Film reichten die zur Anwendung gebrachten Medien. Die oft eigens für die jeweiligen Vorstellungen komponierte Musik wurde vom „Urania-Orchester“ unter Leitung von Josef Mayer-Aichhorn dargeboten.

Der Siegeszug des Kinofilms, der in erster Linie als Unterhaltungsmedium der sozial nicht so gut gestellten Bevölkerungsschichten konzipiert war, rief auch die Kämpfer gegen „Schmutz und Schund“ auf den Plan. Ihr Kampf galt den geschmacklosen Inhalten dieser Filme, „beginnend mit den widerwärtigen Szenen von Mord, Überfall, Folter und Raub, von Ehebruch und Eifersucht bis zu den abstoßenden Szenen süßlicher Sentimentalität und Rührseligkeit“. „Musterlichtspielbühnen“ die sich gezielt um die Vorführung qualitätsvoller Natur- und Kulturfilme bemühten, sollten den Publikumsgeschmack in kultiviertere Sphären lenken.

Eine Führungsrolle nahm hierbei die Wiener Urania ein. Bereits im Jahr 1908 wurden die ersten Filme, damals noch Kinematogramme genannt, vorgeführt. Mit der Fertigstellung des Gebäudes am Aspernplatz wurden dann tägliche Kurzfilmfolgen auf das Programm gesetzt. Die Verantwortlichen bemerkten bald, dass „durch nüchterne Filme wenig zu erreichen“ war, es müsse vielmehr „ein dramatisches Element zum Ausdruck kommen, das ethisch erziehend wirkt“. Das Ergebnis dieser Überlegungen war der „Urania-Kulturfilm“, der packende „laufende Bilder“, belehrende Kommentare und zwischendurch eingeblendete Stehbilder zur Vertiefung des jeweiligen Stoffes vereinigte.

Wohl brachte der Erste Weltkrieg auch für die Wiener Urania schwere Einschränkungen des Betriebs, aber sie erholte sich dank ihres Filmangebots rasch. Im Laufe der folgenden Jahrzehnte baute die Wiener Urania ein umfangreiches Außenstellennetz in ganz Österreich auf. An diese Außenstellen wurden auch die „Urania-Kulturfilme“ verliehen. Um der wachsenden Nachfrage entsprechen zu können, erwarb die Wiener Hauptstelle die Alleinaufführungsrechte vieler Filme und legte ein Kulturfilm-Archiv an. Mitte der 30er Jahre wurde mit Stolz festgestellt, dass die Urania über das „größte europäische Kulturfilm-Leiharchiv“ verfüge und damit „eine Monopolstellung einnimmt, die nicht ihresgleichen hat“.

Darüber hinaus sei erwähnt, dass die Sternwarte der Wiener Urania noch während des Ersten Weltkriegs über ihre Uhrenanlage erstmals eine über Telefon abzuhörende zentrale Zeitansage für Wien ausgab. Die „Urania-Zeit“ war ein stehender Begriff und viele Menschen stellten ihre Uhren nach der an der Außenwand des Gebäudes angebrachten Urania-Uhr.

Urania im Dritten Reich

Während der Austrofaschismus die Bildungsarbeit der Urania im Vergleich zur Volkshochschule Volksheim Ottakring und zum Wiener Volksbildungsverein nur wenig beeinflusste, war der Einschnitt, den der Nationalsozialismus mit sich brachte, umso tiefer. Der Trägerverein der Wiener Urania wurde aufgelöst und das Gebäude zum Sitz des Gauvolksbildungswarts für Wien. Die in der „Volksbildungsstätte Urania“ propagierten Bildungsangebote waren der nationalsozialistischen Ideologie unterworfen und mit den Angeboten der anderen Volksbildungsstätten gleichgeschaltet.

Da die nationalsozialistischen Politiker dem Film hohen Propagandawert beziehungsweise eine von den Entbehrungen des Weltkriegs ablenkende Wirkung zuschrieben, konnte der Filmbetrieb trotz kriegsbedingter Einschränkungen aufrechterhalten werden. Die Katastrophen traten ab dem Jahr 1944 ein: Aufgrund der Requirierung von Magazinräumen für militärische Zwecke im Zuge des „totalen Krieges“ wurden 425.000 Meter an nicht propagandatauglichen Kulturfilmen, das entsprach einer Spielzeit von 236 Stunden, vernichtet. Am 5. November 1944 wurde die Sternwarte durch einen Bombentreffer vernichtet. Das Gebäude der Urania war weitgehend unbespielbar geworden.

Wiederaufstieg

Bald nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde mit dem Wiederaufbau der zerstörten Gebäudeteile begonnen, so dass in den 50er Jahren sowohl der Kinobetrieb als auch die Arbeit der Sternwarte wieder aufgenommen werden konnten.

Im Laufe der folgenden Jahre wurde die Ausstattung der Sternwartekuppel nach und nach erneuert. Einen weiteren Auftrieb erfuhr die naturwissenschaftlich-astronomische Bildungsarbeit der Urania Ende der 60er Jahre durch die Übergabe des von der Stadt Wien im Prater errichteten Planetariums an die Urania.

Auch auf dem Gebiet des Kulturfilms wurde versucht, an die Zeiten vor den Faschismen anzuknüpfen. Neue Filmtechniken ermöglichten in den 50er Jahren noch große Erfolge auf dem Gebiet des Kulturfilms. Auch die Spitzenproduktionen des Spielfilms zogen Massen von KinobesucherInnen an. Der Konkurrenz durch das Fernsehen konnte aber auch der Kinobetrieb der Urania auf Dauer nicht standhalten. Um diesen überhaupt aufrechterhalten zu können, musste schließlich eine Kooperation mit einem Filmverleih eingegangen werden, der den Kinosaal der Urania nach kommerziellen Gesichtspunkten bespielte. Die Tradition, eine Pflegestätte des bildenden und künstlerisch hochwertigen Films zu sein, konnte die Wiener Urania aber weiterführen, indem sie sich als eine der Hauptspielstätten des seit den 60er Jahren jährlich stattfindenden Wiener Filmfestivals „Viennale“ etablierte.

Im Jahr 1949 wurde mit der Einrichtung der „Urania Puppenspiele“ die neue Tradition des kindgerechten Puppentheaters begründet. Die Figuren dieses Theaters wurden durch regelmäßige Übertragungen im Fernsehen seit den 50er Jahren in ganz Österreich berühmt und sind bis in die Gegenwart bekannt.

Die Wiener Urania war lange Zeit die einzige der Wiener Volkshochschulen, welche die traditionelle Verbindung zwischen Volksbildung und Universität pflegte, indem sie berühmte Vortragende zu Großvorträgen in das Auditorium maximum der Wiener Universität einlud. Mit der Initiative „University Meets Public“ wurde diese Verbindung verstärkt und erweitert.

Weiterführende Literatur:

Bischoff, Cäcilia: Zur Kunstgeschichte der Wiener Urania. In: Spurensuche. Zeitschrift für Geschichte der Erwachsenenbildung und Wissenschaftspopularisierung, 8. Jg. H. 3-4/1997, S. 11-25.

Kössler, Ludwig: Gründung und Organisierung von Bildungsvereinen. In: Verlautbarungen des Volksbildungshauses Wiener Urania, H. 42/1921.

Petrasch, Wilhelm (Hg.): 100 Jahre Wiener Urania. Festschrift, Wien 1997.

Stifter, Christian H.: Die Erziehung des Kinos und die „Mission des Kulturfilms“. Zur sozialen Organisation des „Guten Geschmacks“ in der frühen Volksbildung und Kinoreform in Wien 1898-1930. In: Spurensuche. Zeitschrift für Geschichte der Erwachsenenbildung und Wissenschaftspopularisierung, 8. Jg. H. 3-4/1997, S. 54-79.

Stifter, Christian H.: „Anschaulichkeit“ als Paradigma. Visuelle Erziehung in der frühen Volksbildung, 1900-1938. In: Spurensuche. Zeitschrift für Geschichte der Erwachsenenbildung und Wissenschaftspopularisierung, 14. Jg. H. 1-4/2003, S. 68-83.

Stifter, Christian H.: „Film als verfeinertes Kunstwerk“. Entwicklung und Verbreitung des Kulturfilms durch Volkshochschulen in Österreich. In: Spurensuche. Zeitschrift für Geschichte der Erwachsenenbildung und Wissenschaftspopularisierung, 15. Jg. H. 1-4/2004, S. 68-81.

Volksbildung im demokratischen Wien. 50 Jahre Wiener Urania 1897-1947, Wien 1947.

75 Jahre Wiener Urania, Wien 1972.

Urania_Wien_aussen Die Wiener Urania: Blick vom Donaukanal © Österreichisches Volkshochschularchiv
Urania_Mariahilf Die Realisierung eines zweiten Urania-Gebäudes in Wien-Mariahilf vereitelte der Ausbruch des Ersten Weltkriegs. © Österreichisches Volkshochschularchiv
Urania_Uhr_1920er Nach der Urania-Uhr stellte die Wiener Bevölkerung in den 20er Jahren die genaue Uhrzeit. © Österreichisches Volkshochschularchiv