Carl Bernhard Brühl
1820-1899
Der Anatom Carl Bernhard Brühl war ein bedeutender Vorkämpfer der Universitätsausdehnung (
University Extension) und der Frauenbildung.
Bernard Brühl wurde am 5. Mai 1820 als Sohn einer wohlhabenden jüdischen Kaufmannsfamilie in Prag geboren. Nach der Matura immatrikulierte er im Wintersemester 1839 an der Wiener Universität und nahm dort das Medizinstudium auf. Im Jahr 1843 trat Brühl auf Anraten der Professoren Carl Rokitansky und Stephan Endlicher zum Katholizismus über und nahm den Namen Carl Bernhard Brühl an. Am 20. Juli 1847 promovierte er zum Doktor der Medizin.
Am 13. März 1848 forderte er in einer Rede vor den niederösterreichischen Ständen und danach auch publizistisch die volle Lehr- und Lernfreiheit und die Zugänglichkeit der Hochschulen für Jedermann. Damit erregte er die Aufmerksamkeit des Unterstaatssekretärs im Unterrichtsministerium Ernst von Feuchtersleben. Dieser verschaffte ihm eine Stelle als Repetitor am Wiener Tierarznei-Institut und zog ihn als Mitarbeiter bei der von ihm geplanten Universitätsreform heran. Im Auftrage Feuchterslebens arbeitete er einen Plan für ein Naturhistorisches Institut an der Wiener Universität aus, das sowohl als naturwissenschaftliche Fakultät neben der philosophischen, juridischen, medizinischen und theologischen wirken als auch allen an Naturwissenschaften Interessierten zur persönlichen Weiterbildung offenstehen sollte. Mit der Niederschlagung der Revolution waren alle diese Pläne hinfällig geworden.
Brühl blieb noch bis 1850 am Tierarznei-Institut, wo er noch den Grad eines Magisters der Tierheilkunde erwarb. Nachdem sein Dienstvertrag nicht mehr verlängert wurde, eröffnete er mit einem Kollegen eine Praxis für Elektrotherapie nach der Methode von Guillaume Duchenne. Dem Unternehmen war jedoch kein Erfolg beschieden.
In den Jahren 1852 bis 1855 unternahm er ausgedehnte Studienreisen, die ihn über Prag, Pest, Padua, Rom und Neapel nach Paris und Edinburgh führten. Über einige dieser Reisen veröffentlichte er kritische Berichte über den jeweiligen Stand der dortigen anatomischen Einrichtungen in der Wiener medizinischen Wochenschrift. Die Persönlichkeit der Elena Cornaro Piscopia, die am 15. Juni 1678 an der Universität Padua weltweit als erste Frau den Doktorgrad erwarb, lenkte Brühls Aufmerksamkeit auf die benachteiligte gesellschaftliche Stellung der Frau.
Dank der Verwendung des Unterrichtsministers Leo Graf Thun-Hohenstein wurde Brühl im Jahr 1857 als Professor an die Universität Krakau berufen. Da er nun endlich eine gesicherte Existenz hatte, konnte Brühl im folgenden Jahr seine langjährige Verlobte Louise Buchmüller ehelichen. Der Ehe entstammten zwei Kinder: der Sohn Oskar, der bereits im Kindesalter starb, und die Tochter Rosa, die es in Graz zu einer angesehenen Salonmalerin brachte. Im selben Jahr 1858 wurde Brühl als Professor an die Universität Pest berufen.
Im Jahr 1861 erfolgte Brühls Berufung an die Universität Wien. In den folgenden Jahren baute er dort das Zootomische Institut auf. Ab 1864 hielt er bis 1890 in diesem Institut jeweils im Wintersemester allgemein zugängliche „Unentgeltliche Sonntags-Vorlesungen über den Bau des Menschen und der Thiere für Herren und Frauen“. Diese Vorlesungen fanden regen Zuspruch. Die Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer betrug bis zu 800 Personen, darunter etwa ein Drittel Frauen. Im Rahmen dieser Vorlesungen behandelte er nicht bloß Themen der vergleichenden Anatomie (Zootomie), sondern auch wissenschaftsphilosophische, bildungspolitische und weltanschauliche Fragen. Im Jahr 1868 behandelte er nach zwanzig Jahren unter dem Titel
„Universität und Volksbildung, Priestertum und Naturwissenschaft“ wieder sein Lieblingsthema, nämlich die Aufgabe der Universitäten als Einrichtung der allgemeinen Volksbildung. Außerdem legte er darin seine deistische Weltanschauung dar, derzufolge die Naturwissenschaft die einzig wahre Religion sei, weil ihre Gesetze Rückschlüsse auf den Schöpfer der Welt zuließen, und daher die Naturwissenschafter gleichsam die Priester dieser Religion seien.
Im Jahr 1872 veröffentlichte der Münchener Anatom Theodor von Bischoff eine Schrift, in der er den Frauen wegen ihrer geistigen und körperlichen Unzulänglichkeit die Fähigkeit zum Studium der Medizin absprach. In den Jahren ab 1873 widerlegte Brühl die unter Medizinern durchaus verbreiteten Ansichten Bischoffs in zahlreichen Abhandlungen und Vorträgen. Weiters begründete er die gesellschaftlich benachteiligte Stellung der Frau in der Gesellschaft mit ihrem sehr eingeschränkten Zugang zu höherer Bildung. Als tatkräftiger Förderer des Vereins für erweiterte Frauenbildung unterstützte er dessen Pläne zur Errichtung eines Gymnasiums für Mädchen.
Mit seinen Sonntagsvorlesungen zog Brühl die Feindschaft der klerikalen Kreise auf sich. Im Frühjahr 1890 entfachte die katholische Presse Österreich-Ungarns ein förmliches Kesseltreiben gegen ihn, indem sie ihm Blasphemie und Beleidigung der Religion vorwarf. Von Vorarlberg bis in die Bukowina wogte der Meinungsstreit in den Blättern hin und her. Mit der Einstellung des angestrengten Gerichtsverfahrens gegen Brühl und mit der Weigerung der Universität, gegen ihn disziplinär vorzugehen, endete diese Kampagne mit einer Niederlage der reaktionären Presse.
Mit 1. Oktober 1890 trat Brühl in den Ruhestand. Damit fand aber sein Engagement für die Bildung von Frauen kein Ende. In den Wintermonaten der Jahre 1892 bis 1896 hielt er in seiner Wohnung „Anatomisch-physiologische Gesprächsabende für distinguierte Frauen und Mädchen“ ab.
Im Herbst des Jahres 1896 übersiedelte Brühl mit seiner Familie nach Graz. Dort starb er, mit noch zahlreichen Publikationsvorhaben beschäftigt, am 14. August 1899.
Weiterführende Literatur:
Anton Szanya, Carl Bernhard Brühl. Arzt, Zootom, Volksbildner, Feminist, Innsbruck-Wien-Bozen: Studienverlag 2019, 586 S.
Klaus Taschwer, Wie die Naturwissenschaften populär wurden. Zur Geschichte der Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse in Österreich zwischen 1800 und 1870. In: Spurensuche. Zeitschrift für Geschichte der Erwachsenenbildung und Wissenschaftspopularisierung, 8. Jg., 1997, H. 1-2, S. 4-31.
Carl Bernhard Brühl, Einige Worte zur Verständigung über Lehr- und Lernfreiheit an die Studirenden und Doktoren der verschiedenen Fakultäten zunächst, sodann an jeden für den zeitgemäßen Fortschritt allgemeiner Bildung begeisterten Bürger, Wien 1848.
Carl Bernhard Brühl, Frauenhirn, Frauenseele, Frauenrecht. In: Auf der Höhe. Internationale Revue, Leipzig 1883, 31-80.
Carl Bernhard Brühl, Universität und Volksbildung, - Priesterthum und Naturwissenschaft. Eine Sonntagsvorlesung, Wien, zweite Auflage 1888.
Carl Bernhard Brühl, Einiges über die Gaben der Natur an die Frau und die Konsequenzen hieraus für Bedeutung, Stellung, Aufgaben und Rechte der Frau in der menschlichen Gesellschaft. In: Jahresbericht des Vereines für erweiterte Frauenbildung in Wien, October 1891-October 1892.