Knowledgebase Erwachsenenbildung

Who is Who?

Elise Richter
1865-1943

In Wien geboren, entstammte die Tochter des Chefarztes der k.k. Südbahngesellschaft dem freisinnigen jüdischen Großbürgertum. Durch Privatunterricht vorbereitet, wurde sie 1891 Gasthörerin der Universität. Nach dem frühen Tod der Eltern finanzierte ihr Studium mit ihrem Erbe. Ihr Leben teilte sie fortan mit ihrer Schwester Helene, einer Autodidaktin auf dem Gebiet der Anglistik von hervorragendem Ruf. Die Schwestern blieben unverheiratet. Elise war aufgrund eines Gelenksrheumatismus stark gehbehindert.

1897 bestand sie die Matura am Akademischen Gymnasium, als diese Möglichkeit an gewissen Knabengymnasien für Frauen zum ersten Mal geboten wurde, in einem weiteren Schritt erfolgte im selben Jahr die Zulassung von Frauen als ordentliche Hörerinnen der philosophischen Fakultät. Elise Richter gehörte zu den ersten drei Studentinnen, die im Wintersemester 1897/98 an der Universität Wien immatrikulierten, und als eine der ersten Frauen promovierte sie nach dem Studium der Romanistik, allgemeinen Sprachwissenschaft, klassischen Philologie und Germanistik 1901 zum Doktor der Philosophie. Als erste Frau in Österreich habilitierte sie sich gegen den entschiedenen Widerstand der Fakultät 1905 an der Universität Wien für Romanische Philologie und erst nach einem weiteren zweijährigen Kampf erhielt sie 1907 die Venia legendi. 1921 folgte der Titel „Außerordentlicher Professor“. Jedoch erst ab 1923 wurde sie für ihre Lehrtätigkeit als Dozentin der romanischen Sprachen, Literatur und Phonetik bezahlt.

Elise Richter beschäftigte sich mit den physiologischen und psychologischen Grundlagen des Wesens und Werdens der Sprache sowie mit den inneren Zusammenhängen in der Entwicklung der romanischen Sprache und vermittelte ihre Arbeit auch in der Volksbildung. In der schwierigen Anfangszeit ihrer wissenschaftlichen Positionierung trat sie als Volksbildnerin mit Vorträgen über Sprachwissenschaft und romanische Literatur an die Öffentlichkeit. Zwischen 1909 und 1924 war sie, wie auch ihre Schwester Helene, eine renommierte Anglistin ihrer Zeit, in den Kursprogrammen des Wiener Volksbildungsvereins, der Volkshochschule Volksheim Ottakring, der Wiener Urania sowie der Volkstümlichen Universitätsvorträge vertreten.

Von 1922 bis 1930 war sie die Vorsitzende des von ihr gegründeten „Verbandes der akademischen Frauen Österreichs“. Seit 1928 leitete sie das phonetische Institut, der Titel Ordinarius blieb ihr jedoch verwehrt. 1938 wurde Elise Richter als Jüdin die Lehrbefugnis entzogen. 1942 wurde sie gemeinsam mit ihrer Schwester nach Theresienstadt deportiert, wo sie am 21. Juni 1943 ums Leben kam.

Weiterführende Literatur:

Elisabeth Andraschko, Elise Richter - eine Skizze ihres Lebens. In: Waltraud Heindl/Marina Tichy (Hrsg.), „Durch Erkenntnis zu Freiheit und Glück ...“ – Frauen an der Universität Wien ab 1897, Wien: Universitätsverlag 1990, S. 221-231.

Wolfgang Bandhauer, Ideologiekritische Anmerkungen zu Elise Richter (in Konfrontation mit Leo Spitzer). In: Hans Helmut Christmann/Frank-Rutger Hausmann et al. (Hrsg.), Deutsche und österreichische Romanisten als Verfolgte des Nationalsozialismus, Tübingen: Stauffenburg-Verlag 1989, S. 231-240.

Wolfgang Bandhauer, Niemals vergessen! Elise Richter zum Gedenken. In: Semiotische Berichte, 9. Jg., 1985, H. 1-2, S. 165-179.

Elise Richter, Summe des Lebens. Hrsg. v. Verband der Akademikerinnen Österreichs, Wien: WUV-Universitäts-Verlag 1997, 239 S.
Auswahlbibliographie Links
Richter, Elise © Bildarchiv Österreichische Nationalbibliothek Ex libris Helene und Elise Richter Elise und ihre Schwester Helene benützten ein gemeinsames Exlibris © Bildarchiv Österreichische Nationalbibliothek