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Bildungs- und Berufsberatung

Anfänge: Frauen- und Arbeiterbewegung

Bildungs- und Berufsberatung, verstanden als personenbezogene professionelle Beratung zu bildungs- und berufsbezogenen Fragen, gab es in Österreich bereits vor und während des Ersten Weltkriegs. Die anfangs vor allem von karitativen Organisationen durchgeführte Tätigkeit wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts vermehrt von Handwerkervereinigungen, Gewerkschaften und Kammern im Rahmen der Lehrlingsbetreuung durchgeführt. Neben der Lehrlingsfürsorge war es vor allem die Frauenbewegung, die als Wurzel der öffentlichen Bildungs- und Berufsberatung angesehen werden kann.

Frauenvereine, wie beispielsweise der ‚Verein für Fraueninteressen‘ in Linz und die von Olly Schwarz gegründete und geleitete ‚Zentralstelle für weibliche Berufsberatung‘ in Wien boten Anfang des 20. Jahrhunderts Berufsberatung an und setzten sich auch politisch für Berufs- und Bildungsrechte der Frauen ein. Ab 1917 hielt die Zentralstelle für weibliche Berufsberatung auch eine Tagung für die Berufsinteressen der Frauen ab. Diese Veranstaltung etablierte sich in den folgenden Jahren als Tagung für Berufsberatung zu einem jährlich stattfindenden zweitägigen Fachaustausch, bei dem in- und ausländische Fachleute aus den Gebieten der Berufsberatung, aber auch Medizin, Psychologie, Pädagogik, Ökonomie oder Politik referierten. Teil des Programms waren auch Besichtigungen und Führungen, zum Beispiel in das Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseums von Otto Neurath sowie berufskundliche Vorträge für jugendliche SchulabsolventInnen und deren Eltern. Im Jahr 1936 fanden die Tagungen mit einer Festveranstaltung anlässlich des zwanzigsten Jubiläums ihr Ende.

Neben der Frauenbewegung beförderten auch die sozialökonomischen Verwerfungen im Zuge des Krieges und der Aufstieg der Arbeiterbewegung den Aufbau einer allgemein zugänglichen Berufsberatung. Im Zuge der von den Sozialdemokraten nach Gründung der ersten Republik 1918 auf Bundesebene durchgesetzten sozialpolitischen Maßnahmen wurde Berufsberatung als Aufgabe der staatlichen Fürsorge definiert und die Einrichtung einer öffentlichen Berufsberatung vorangetrieben. In Folge wurden Berufsberatungsstellen an den neu geschaffenen Arbeitsverwaltungsbehörden der Industriellen Bezirkskommissionen oder an Jugendämtern eingerichtet. In Wien hingegen wurde 1922 von der Gemeinde Wien mit Unterstützung der erst kurz davor gegründeten Arbeiterkammer ein eigenes Berufsberatungsamt innerhalb des städtischen Magistrats geschaffen.

Berufsberatungsamt Wien_Bild 3 Bildstatistik aus dem Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum der Stadt Wien © Tätigkeitsbericht Berufsberatungsamt der Stadt Wien 1929, S. 24.