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Erster Weltkrieg

Der im „Zeitalter des Imperialismus“ europaweit stark verbreitete Nationalismus mit seiner militaristischen Großmächterivalität fand im Ersten Weltkrieg seinen Höhepunkt. So wie in allen anderen Bereichen der Gesellschaft blieb auch die Volksbildung von den Auswirkungen der Entfesselung dieses ersten weltweiten „Völkerringens“ nicht verschont.

Volksbildung als Volksverteidigung

Der nationalistische Zeitgeist und die anfängliche Kriegseuphorie weiter Teile der Bevölkerung schwappten auch auf die Volksbildung über. Einige ihrer wichtigsten Exponenten vertraten zwar moderate, aber dennoch explizit deutschnationale Anschauungen und Positionen. Diente ihnen Volksbildungsarbeit in Friedenszeiten zur Vermittlung „deutscher Kulturideale“, so wurde in Kriegszeiten der Schutz der deutschen Nationaltität in der Habsburgermonarchie zur volksbildnerischen Aufgabe. Neben vereinzelten hurra-patriotischen und nationalistisch-chauvinistischen Aussagen stellten sich auch verschiedene Bildungseinrichtungen teilweise in den Dienst der Kriegspropaganda. Freilich sollte sich gerade die Forcierung des Nationalismus – der im Gegensatz zu den Idealen des wissenschaftlichen Internationalismus von vor 1914 stand – als der Sprengsatz an der multinational konfigurierten Habsburgermonarchie erweisen.

Volksbildung im Völkerkrieg

Die Bildungs- und Kulturarbeit sollte auch in Kriegszeiten nicht unterbrochen werden. Sie musste sich freilich den Erfordernissen des Krieges anpassen. So luden bereits wenige Tage nach der Kriegserklärung Österreich-Ungarns an das Königreich Serbien am 28. Juli 1914 die volkstümlichen Universitätskurse in Wien zu einem öffentlichen Vortrag über das wirtschaftliche Verhalten in Kriegszeiten. Des weiteren veranstalteten die Bildungsvereine Vorträge und Kurse zu Krankenpflege und Erster Hilfe sowie über das richtige Verhalten beim Ausbruch von Epidemien und boten patriotische Berichterstattung über die Kriegsschauplätze an. Neben der Gesundheits- und Ernährungswissenschaft stellte sich insbesondere auch die Historiografie in den Dienst der militaristisch-patriotischen Volksbildungsarbeit.

Nichts desto trotz konnte etwa die aus dem „Feindesland“ Großbritannien stammende Amalie Sarah Levetus an der Wiener Volkshochschule Volksheim Ottakring ihre Kurse zur englischen Kunst und Literatur auch während des Krieges ohne Unterbrechung oder Störung weiter halten.

Der weitere Verlauf des Krieges führte freilich zu immer stärkeren Einschränkungen im Lehr- und Lernbetrieb. Laufend wurden Volksbildner und Volksbildungsteilnehmer „zu den Fahnen“ gerufen und an die Front eingezogen. Es kam an allen Volksbildungseinrichtungen zu einem Mitglieder- und HörerInnenschwund und zu Einschränkungen im Kursbetrieb. Materielle Engpässe ab dem Kriegswinter 1916/17 führten etwa an der Wiener Urania zu behördlich verhängten Betriebssperren.

„Das Joch des Krieges“

Zunehmend hatten die Volksbildungseinrichtungen auch erweiterte soziale Aufgaben zu erfüllen wie etwa als Tagesheimstätten für Kinder, deren Väter in den Krieg eingezogen waren und deren Mütter an der „Heimatfront“ zum Einsatz kamen. Qualität und Pluralität der Volksbildung litten mehr und mehr an den kriegsbedingten Engpässen.

Dennoch fanden kriegskritische oder explizit pazifistische Vorträge oder Kurse in den Programmen der Volkshochschulen bis zum Kriegsende keinen Eingang. Der Leiter der kunsthistorischen Fachgruppe an der Volkshochschule Volksheim Ottakring, Fritz Saxl, gestaltete jedoch retrospektiv eine pazifistische Schau mit dem Titel „Das Joch des Krieges“, welche im Sommer 1919 an der Wiener Volkshochschule Volksheim Ottakring zu sehen war. Mit dieser als Wanderausstellung konzipierten Schau sollten mittels Plakaten, Karikaturen, aber auch anhand von Kinderzeichnungen die Schrecken des Krieges veranschaulicht werden.

Materielle und geistige Verwüstungen als Hinterlassenschaft

Vom geistesgeschichtlichen Standpunkt aus gesehen waren die gesellschafts- und wissenschaftskulturellen Folgen des Ersten Weltkriegs ebenso weitreichend wie folgenschwer: Der ungebremste Wissenschafts- und Fortschrittsoptimismus der Zeit vor 1914 war zu seinem ernüchternden Ende gekommen. Die großartigen Erfindungen und Entdeckungen der Naturwissenschaften richteten sich im Giftgas- und Panzerkrieg des Ersten Weltkriegs gegen die Menschen selbst. Neue technowissenschaftliche Errungenschaften – die dem Wohle der Menschen dienen sollten – wurden zum ersten Mal im globalen Maßstab zu deren Vernichtung eingesetzt.

Kriegsausbruch Von der anfänglichen Kriegseuphorie wurde auch die Volksbildung erfasst. © Österreichisches Volkshochschularchiv
Militaerparade Die Militarisierung machte vor der Volksbildung nicht halt: Viele Volksbildner wurden an die Front eingezogen. Viele stellten sich aber auch ideell in den Dienst des Krieges. © Österreichisches Volkshochschularchiv
Britischer_Tank Britischer Tank an der Westfront: Durch die „Materialschlachten“ des Ersten Weltkriegs wurde auch die Volksbildung zunehmend in Mitleidenschaft gezogen.