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Elend und Verbrechen im Bild: die Bedeutung der Fotografie

Als Klägers Buch „Durch die Wiener Quartiere des Elends und Verbrechens“ 1908 auf den Markt kommt, nimmt man zumindest in der Arbeiter-Zeitung wahr, dass die Idee, über das Elend aus erster Hand zu berichten, nicht mehr neu ist. Max Winter war bereits 1902 mit kundiger Führung in die Kanäle der Stadt hinabgestiegen, um sich ein unmittelbares Bild von einer anderen Seite Wiens zu verschaffen. Kläger handelt sich den Vorwurf des Plagiats ein, doch neben der Kritik an Klägers Buch, werden die Fotografien Hermann Drawes gelobt.

Kläger bedient sich eines Mediums, das für die noch junge Sozialreportage neu ist: Er kombiniert Text mit Bild, und die zu jener Zeit ebenfalls noch junge Fotografie schafft etwas, was Worten nicht immer gelingt: Sie bietet Anschaulichkeit. Es ist ein Unterschied, ob man das Elend erzählt bekommt, oder ob man es sehen kann. Das mag ein Grund für den großen Erfolg des Lichtbildervortrags gewesen sein (wie viele Exemplare von Klägers und Drawes Buch verkauft wurden, ist heute nicht bekannt).

Aber auch der Einsatz der Fotografie zur Beschreibung und Dokumentation der Verelendung in den Städten ist keine Pioniertat Drawes. In den USA hat etwa der aus Dänemark eingewanderte Jacob Riis die Slums von Manhattan in eindrucksvollen Fotografien und in seinem Buch „How the Other Half Lives“ (1890) festgehalten. Diese Entwicklung hat sich bis weit ins 20. Jahrhundert fortgesetzt: Walker Evans, Dorothea Lange, August Sander, Anders Petersen, um nur einige Fotografen zu nennen, zeigen ungeschönt und unverblümt die Lebensumstände von Menschen, an denen die wirtschaftliche Depression der 1930er Jahre in den USA, das entbehrungsreiche Leben und harte Arbeit nicht spurlos vorübergegangen sind.

Wärmestube in der Burghardtgasse Wärmestube in der Burghardtgasse © Österreichisches Volkshochschularchiv