Jüdische Volkshochschule
Wie sich im Verlauf der öffentlichen Diskussion während der Zeit des
Austrofaschismus zeigte, bildete die Tradition der Neutralität wie auch die der Wissenschaftlichkeit der Volkshochschulen die Hauptangriffspunkte der Kritik. Der „Neutralität“, die dem „Denken des 19. Jahrhunderts“ entstammte und längst nicht mehr dem „Sinnwandel der Volksbildung“ entsprach, wurde nun die „Sachlichkeit“ entgegengestellt. Das „Volk“ sei nun nicht mehr „die große Masse der sozialen Atome, der unteren Klassen der Enterbten, der von den geistigen Gütern ausgeschlossenen“, sondern eben „Staatsvolk, elementare, überpersönliche Schicksal- und Kulturgemeinschaft“.
Auf Basis der großen Bedeutung, die das autoritäre Ständestaatregime den Volksbildungseinrichtungen zumaß, kam es 1934 auch zu Neugründungen. Neben der Evangelischen Volkshochschule wurde im Herbst die Volkshochschule Alsergrund in der Galileigasse gegründet, und nach längeren Vorarbeiten seitens konservativ-religiöser Juden ausgehend von der „Jüdischen Kulturstelle“ im November und mit Unterstützung des städtischen Volksbildungsreferenten
Karl Lugmayer eine eigene „Jüdische Volkshochschule“ ins Leben gerufen. Das Konzept und die Pläne für diese Einrichtung, die unter anderem auch der „Vertiefung der Religiosität“ dienen sollte, wurden vom Pädagogen und Rabbiner Professor Dr.
Kalman Kupfer ausgearbeitet, der diese als „Vertrauensmann“ des Volksbildungsreferenten der Stadt Wien, Karl Lugmayer, gemeinsam mit diesem nach längeren Vorarbeiten im Herbst 1934 schließlich umsetzte. Mit der Leitung der Einrichtung, die im engsten Einvernehmen mit der Israelitischen Kultusgemeinde stand und zunächst im Gebäude des Stadtschulrates installiert wurde, wurde der Pädagoge und Rabbiner Dr.
Manfred Papo bestellt.
Die Jüdische Volkshochschule hatte das Ziel, die traditionell stark über Bildung kulturalisierte jüdische Wiener Bevölkerung im religiös-vaterländischen Sinn zu erreichen. Gegen den Widerstand der zionistischen Führung der Jüdischen Kultusgemeinde vertrat diese „separatistische“ Einrichtung, die ihre Arbeit der „jüdisch-religiösen Volkserziehung“ widmete, ein ideologisches Konzept, das ganz im Sinne der beabsichtigten Reorganisation des gesamten Volksbildungswesens auf Basis „vaterländischer“ Gesinnung auf die Hochhaltung traditionell jüdischer Kultur und Religion gerichtet war und sozialistisches, zionistisches oder auch liberales Gedankengut grundsätzlich ablehnte. Demgemäß konzentrierte sich das Programm neben der bürgerlichen Hochkultur vor allem auf jüdische Bräuche, jüdische Philosophie und Musik, hebräische Bibellektüre oder Synagogengesang.
Weiterführende Literatur:
Gaisbauer, Adolf: Jüdische Volkshochschule in Wien 1934-1938. Eine Dokumentation (= Schriftenreihe des VWV), Wien 1988.
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