Helene Richter
1861-1942
Die Anglistin und Theaterwissenschafterin Helene Richter kam in Wien als erste Tochter einer großbürgerlichen jüdischen Arztfamilie zur Welt. Gemeinsam mit ihrer vier Jahre jüngeren Schwester
Elise wurde Helene zunächst privat unterrichtet. Im Unterschied zu dieser, bildete sich Helene aber vorwiegend durch selbständiges, autodidaktisches Studium, unter anderem als Gasthörerin von Vorlesungen an der Universität Wien sowie durch ausgedehnte Reisen durch Europa und Nordafrika, zu einer bedeutenden Anglistin und Schriftstellerin heran. Nach frühen dichterischen Versuchen wandte sie sich in erster Linie der wissenschaftlichen Publizistik, hier vor allem auf dem Gebiet der englischen Literatur, zu und verfaßte Burgtheaterrezensionen unter anderem für literarische Jahrbücher.
Ihren Ruf als Anglistin begründete Helene Richter mit ihrer dreibändigen „Geschichte der englischen Romantik“ sowie durch zahlreiche Monographien zu bedeutenden englischen Dichtern wie beispielsweise William Shakespeare, George Eliot oder William Blake. Aufgrund ihrer Forschungsarbeiten wurde sie 1931 zum „Ehrendoktor“ (Dr. h. c.) der Universitäten Heidelberg und Erlangen ernannt.
Ebenso wie ihre Schwester, mit der Helene eine Wohnung in der Weimarer Straße Nr. 83 im 19. Bezirk teilte, die über Jahre hinweg Treffpunkt bedeutender Wissenschafter und Künstler war, engagierte auch sie sich aktiv in der Volksbildung. Im
Wiener Volksbildungsverein, in der
Wiener Urania und im
Volksheim Ottakring hielt sie zwischen 1909 und 1934 wiederholt Kurse und Vorträge, unter anderem zu englischer Literatur und zur Interpretation klassischer Dramen.
Gemeinsam mit ihrer Schwester wurde Helene Richter in das KZ Theresienstadt deportiert, wo sie am 8. November 1942 verstarb.