Autor/in: | Freie Vereinigung für technische Volksbildung, Wien |
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Titel: | Allgemeine Richtlinien für volkstümliche Vorträge |
Jahr: | 0 |
Quelle: | Österreichisches Volkshochschularchiv, Urania Wien, Box 7, Mappe 1. |
Sachdeskriptor: | Didaktik |
1. Volkstümlich vortragen heißt, das Wissen und die Gedankenwelt eines bunt zusammengewürfelten Zuhörerkreises leichtfaßlich und in schlichter Form um Wertvolles bereichern.
2. Für die Wahl des Themas und seine Behandlung sind die örtlichen Verhältnisse sehr maßgebend. Die Menschen wollen Antwort auf Fragen ihres Lebenskreises, wollen einen Blick tun in die Tiefen des Lebens und der Natur, aber immer so, daß sie das Gebotene miterleben können; deshalb ist Erlebensnähe die erste Forderung an jeden volkstümlichen Vortrag.
3. Der Titel soll möglichst kurz, treffend und anziehend sein, um auch den flüchtigen Blick zu fesseln und die Leute anzulocken, ohne falsche Erwartungen zu erregen.
4. Der Vortrag selbst muß sich der Bildung und Auffassungsgabe der Zuhörer anpassen. Andere Vorkenntnisse als die Erfahrungen des täglichen Lebens sollen nie vorausgesetzt werden. Jeder neu in die Darstellung eingeführte Begriff muß aus einer vorangehenden Erklärung verständlich sein.
5. Besonderen Anklang finden jene Vorträge, die stets die Beziehungen des Menschen zu dem besprochenen Gegenstande wahrnehmen, indem sie zum Beispiel dessen Nutzen oder Schaden, seine Kultur-, soziale und Bildungswerte ins Auge fassen, Gedanken und Empfindungen vorkommender Personen in die Darstellung einflechten, die Zuhörer mitten in die Szene versetzen u. s. f.
6. Das Gehörte soll zur Weiterbildung anregen, aber nicht bloß dem Verstande, sondern auch der Phantasie und dem Gemütsleben etwas bieten. Das Unterhaltende soll nie ganz fehlen. Mindestens sollte von Zeit zu Zeit der Humor die Denkarbeit entspannen.
7. Der Vortrag muß lebendig und anschaulich sein. Auf Unterstützung des Verständnisses durch sorgfältig gewählte und geschickt mit dem Vortrag verwobene Bilder, Zeichnungen, Tafeln, Diapositive und wenn möglich Filme, ferner durch einfache bewegliche Modelle, Versuche, Vorführungen oder Exkursionen ist großes Gewicht zu legen. Mehr als fünfzig Bilder in einem Vortrage zu bringen, ist nicht zweckmäßig.
8. Von besonderem Werte ist die gemeinsame Lernarbeit des Vortragenden mit den Teilnehmern, besonders in Kursen.
9. Der Vortragende muß sich auf den Vortrag gut vorbereiten und soll möglichst frei sprechen. Die Benützung von Schlagworten für die Reihenfolge der Gedanken und für Daten ist statthaft. Gelesene und auswendig gelernte Vorträge wirken nicht gut. Man muß den Vortrag dem beobachteten und beabsichtigten Eindruck entsprechend frei gestalten.
10. Schon mit den einleitenden Sätzen müssen die zerstreuten Gedanken der meist arbeitsmüde in die Vorträge kommenden Zuhörer gewonnen werden. Je besser es dann der Vortragende versteht, sie bis zum Schlusse in ansteigendem Maße mit dem zu beschäftigen, was er zu sagen hat, desto mehr befriedigt er sie. Deshalb soll auch bei Vortragskursen die Wißbegierde der Zuhörer für die weiteren Vorträge geschickt angefacht werden. Zu unterlassen ist alles, was die Aufmerksamkeit ablenken und den Eindruck abschwächen oder verderben könnte. Man muß im Gegenteil trachten, aus allem Gebotenen die größte Wirkung herauszuholen.
11. Damit auch die weitest entfernten Zuhörer jedes Wort ohne Anstrengung verstehen können, muß der Vortragende laut, deutlich und langsam genug sprechen und den Mitdenkenden Zeit lassen, das Wichtige mit ihm zu erarbeiten.
12. Klare, richtige und sorgfältige, aber ungezwungene Ausdrucksweise sowie angenehmes, sicheres und fließendes Sprechen kennzeichnen das Bestreben, auch in der Form edlen Genuß zu bieten.
13. Man muß sich hüten, in die Fach- und Gelehrtensprache zu verfallen, sich in Einzelheiten und fachliche Erläuterungen zu verlieren oder Statistik und Diagramme in trockener Form zu bringen.
14. Dauert ein volkstümlich-wissenschaftlicher Vortrag länger als eine Stunde, so ermüdet er zu sehr. Besser ist es, ihn nur für drei Viertelstunden zu bemessen. Im freien Vortrage wird er erfahrungsgemäß ohnehin meistens länger.
15. Sorgfältige, unauffällige Kleidung, gepflegte äußere Erscheinung und ruhiges, sicheres Auftreten des Vortragenden gewinnen ihm die Sympathie der Hörer. Alle gewohnheitsmäßigen oder Verlegenheitsausdrücke oder -Bewegungen stören. Herren tragen dunkle Kleidung und dunkle Krawatte. Frack und weiße Krawatte sind für volkstümliche Vorträge nicht üblich. Smoking ist jedenfalls zu vermeiden.
16. Eine Anrede der Versammelten ist zulässig, aber nicht erforderlich.
(Wortwahl, Grammatik, Rechtschreibung und Zeichensetzung entsprechen dem Original.)