Autor/in: | Ondrak, Georg/Vater, Stefan (Hrsg.) |
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Titel: | Antworten auf die Krise? Herausforderungen für die Erwachsenenbildung! – Dokumentation des Zukunftsforums Erwachsenenbildung 2013. Vom 3. bis 5. Juli 2013, Haus der Begegnung, Innsbruck, Tirol |
Jahr: | 2014 |
Downloads: |
Dokumentation_Zukunftsforum_3.-5.7.2013.pdf |
Einleitung aus der Dokumentation:
Alle sprechen von der Krise: ob in der Wirtschaft, im Banken- und Finanzwesen oder in der Politik. Das Zukunftsforum Erwachsenenbildung 2013 bot einen internationalen Rahmen zur Reflexion des komplexen Phänomens „Krise“, der Entstehung des Phänomens, seiner Folgen und der Rolle von Erwachsenenbildung im Zusammenhang mit Krisen. 70 Expertinnen und Experten des Erwachsenenbildungsfeldes aus elf Nationen trafen sich zum 5. internationalen Zukunftsforum
Erwachsenenbildung auf Initiative des Verbandes der Österreichischen Volkshochschulen und nutzten den Rahmen zur ausgiebigen Diskussion. Das Zukunftsforum Erwachsenenbildung fand 2013 vom 3. bis 5. Juli in Innsbruck statt und machte die Tiroler Landeshauptstadt für diese Zeit zum Zentrum der europäischen Erwachsenenbildung. Wichtige Fragen, die an das Thema Erwachsenenbildung und Krise gestellt wurden, waren unter anderen:
• Was sind die Herausforderungen für die Erwachsenenbildung heute (in Zeiten der Krise)?
• Gibt es sie wirklich die Krise? Wem nützt der Diskurs über allgegenwärtige Krisen?
• Was sind die besonderen Eigenschaften der aktuellen Krisen?
• Was bedeutet das für die Erwachsenenbildung, das lebensbegleitende Lernen, die Arbeitswelt und das Alltagsleben?
• Was bedeuten diese Diagnosen für die Zukunft des Life Long Learning?
• Welchen Beitrag leisten die Einrichtungen der Erwachsenenbildung für die Bewältigung von Krisen?
• Welche Kompetenzen benötigen die ErwachsenenbildnerInnen in Zeiten der Krise?
Die Leiterin des isländischen „Education and Training Service Centre“, Ingibjörg E. Guðmundsdóttir zeigte in ihrem Schlüsselreferat am ersten Konferenztag auf, dass ihr Land als Antwort auf die Finanzkrise, die Island besonders hart getroffen hatte, mit einem Ausbau der Qualität und der finanziellen Mittel für die Erwachsenenbildung durch die öffentliche Hand reagierte. Damit konnte die Regierung für betroffene Menschen wirksame Möglichkeiten zur beruflichen Weiterbildung und
persönlichen und gesellschaftlichen Weiterentwicklung schaffen.
Nicht alle Staaten folgten dem isländischen Vorbild. In einer vom Europäischen Verband für Erwachsenenbildung (EAEA – European Association for the Education of Adults) vorgestellten Analyse wird deutlich, dass die in Europa größer werdende Kluft zwischen Arm und Reich auch Auswirkungen auf das Bildungsverhalten hat. Die Wohlhabenden blieben von der Krise relativ wenig berührt, während die Armen leiden. Erwachsenenbildungseinrichtungen in jenen Staaten, die wenig
Mittel für die Erwachsenenbildung zur Verfügung stellen oder sogar den Sparstift ansetzten, sahen sich gezwungen, Kursbeiträge anzuheben. Mittellose Personen, die meistens den höchsten Weiterbildungsbedarf haben, laufen damit Gefahr, von ihr ausgeschlossen zu werden – mit weitreichenden Konsequenzen für den Wirtschaftsraum, die soziale Stabilität, die gesellschaftliche und vor allem die persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten. Darüber hinaus wird eine große Rolle
der Erwachsenenbildung für den sozialen Zusammenhalt und die Demokratieentwicklung oft ausgeblendet. Das zeigt sich darin, dass es wichtig ist, Alternativen und neue Wege mit den Bürgerinnen und Bürgern zu suchen.
Mary Murphy berichtete in ihrem Schlüsselreferat von Erfahrungen mit dem irischen Projekt „Claiming Our Future“ (COF, dt. Inanspruchnahme bzw. Rückeroberung unserer Zukunft). Einem Versuch, im Kontext der Wirtschafts- und Finanzkrise nachhaltige Alternativlösungen aus zivilgesellschaftlichen Prozessen zu fördern. Die Zivilgesellschaft kann als kreative, kollektive, wertebasierende Akteursform eine wichtige Rolle spielen, wenn es darum geht, neue Ideen zu
generieren, die auf eine bessere, sozial gerechtere, demokratischere, ökologisch nachhaltigere Gesellschaft abzielen. Murphy entwarf Folgerungen für die Rolle der Erwachsenenbildung und die Herausforderung, traditionelle Ansprüche wie Befähigung, Partizipation, Emanzipation und politische Imagination aufrechtzuerhalten. Erwachsenenbildung kann – entsprechend ihren historischen Ursprüngen – wieder einen Raum für zivilgesellschaftlichen Diskurs und demokratischen
Ideenaustausch bieten.
Clemens Sedmak machte in seinem Schlüsselreferat deutlich, dass Bildung auch „Fähigkeitsfähigkeit“ beinhaltet. Die Fähigkeit, mit den eigenen Fähigkeiten umgehen und sie richtig einsetzen zu können, sei gerade in einer Krise wichtig. Denn wenn die Ressourcen erster Ordnung knapp werden, was bei einer Krise der Fall sei, dann werden die Ressourcen der zweiten Ordnung, wie eben die Fähigkeitsfähigkeit, immer wichtiger. Bildung bedeutet, vor allem auch in Zeiten der Krise, die
Entwicklung eines „Möglichkeitssinnes“. Es gilt, einen Sinn dafür zu generieren, dass die Dinge anders sein könnten, die Vorstellungskraft zu erweitern, Möglichkeiten zu sehen – zu erkennen, dass „wir nicht dazu verdammt sind, die Dinge so zu belassen, wie sie sind.“
In Arbeitsgruppen waren die Expertinnen und Experten aus Großbritannien, Norwegen, Deutschland und Österreich und vom Europäischen Verband für Erwachsenenbildung zu einem ähnlichen Schluss gekommen: Die Stärkung von arbeitsmarktwirksamen, kurzfristigen Ausbildungsmaßnahmen ist wichtig, aber nicht ausreichend. Es kommt auch darauf an, für alle Menschen den Zugang zu Bildungsmöglichkeiten zu sichern, die die von der Europäischen Union vorgestellten acht Schlüsselkompetenzen für lebensbegleitendes Lernen vermitteln. Eine ausreichende Finanzierung durch die öffentliche Hand ist dafür unumgänglich. Diese muss 1% oder mehr der sonstigen Bildungsausgaben eines Landes betragen, um als ausreichend bezeichnet werden zu können.