Titel: | Ueber weibliche Erziehung |
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Jahr: | 1848 |
Quelle: | Constitutionelle Donau-Zeitung, 10. Mai 1848, S. 311-312; 11. Mai 1848, S. 319; 21. Mai 1848, S. 405-406. |
Ueber weibliche Erziehung *)
I.
[S. 311] Es ist oft behauptet werden, der Standpunct der Frauen sei zu jeder Zeit derselbe und auch ihre Bildung müsse also dieselbe bleiben. Wie die Natur beständig folgsam die unabänderlichen Gesetze ihres Wesens erfüllt, seien auch sie berufen ein Bild des Bleibenden im Wechsel darzustellen, und dem bewegten Leben des Mannes eine Ruhestelle zu bereiten. Diese Behauptung ist wahr – in dem Ziele, das sie den Frauen vorsteckt, falsch – in dem Wege, den sie ihnen zu demselben vorschreibt. Wohl beharrt das Bleibende in der Gleichheit mit sich selbst; aber seine Beziehung zum Beweglichen wechselt wie dieses, und diese Beziehung richtig zu erfassen, ist die Aufgabe Derjenigen, die das Bleibende darzustellen berufen sind. Wohl bedarf der Fortschreitende der Ruhe; aber so gewiß diese Ruhe keine blos körperliche, sondern auch eine geistige sein muß, so gewiß muß auch die Art derselben wechseln mit der Art der Anstrengung, die das Bedürfniß derselben hervorrief, und was gewährt demjenigen, der von den Bemühungen nach einem bestimmten Ziele ermüdet ist, geistige Ruhe und Erholung, als das Vollbrachte und noch zu Vollbringende mit einem gleichgesinnten Wesen zu überdenken. Das aber, was zu erreichen ist, wechselt im Laufe der Zeiten; also muß auch die Bildung derjenigen, die den Strebenden nur durch das Verständniß und die Theilnahme an ihren Bestrebungen die geistige Ruhestelle, deren sie bedürfen, gewähren können, im Verhältnisse zum Gange der Zeit fortschreiten. Daraus erhellt, daß die Annahme einer stereotypen weiblichen Bildung die Erfüllung der doch zugleich aufgestellten Forderung, das Bleibende im Wechsel darzustellen, unmöglich macht.
Aber noch auf einem anderen unversöhnten Widerspruche mit sich selbst befinden sich Jene, welche die angeführte Behauptung aufstellen. Sie können nämlich nicht läugnen, daß das Christenthum die Stellung der Frauen wesentlich erhoben habe. Durch die Annahme des immer gleichen Standpunctes der Bildung aber, auf dem die Frauen sich befinden sollen, sehen sich die Vertreter der angeführten Meinung gezwungen, die durch das Christenthum gewonnene Verbesserung der weiblichen Stellung als eine blos äußerliche aufzufassen. Und gesetzt sogar, sie wäre nur das, so hat sie doch immerhin der Frauen Recht gesichert. Woher aber ein Recht ohne Berechtigung? Woher eine Berechtigung ohne Kraft? Woher eine neu errungene Kraft ohne Bildung? Ueberdies ist die durch das Christenthum gewonnene Verbesserung der weiblichen Stellung weit mehr eine innere als eine äußere. Denn die Beschäftigung, die Pflichten der Frauen sind dieselben geblieben; nur daß sie jetzt als Freie thun, was sie früher als Mägde thaten, weil das untergeordnete Verhältniß, in dem sie sich immer noch befinden und nach ewigen Gesetzen hiernieden befinden müssen, von dem Boden der Naturnothwendigkeit, wo es früher wurzelte, auf den Boden der Vernunftnothwendigkeit verpflanzt wurde; weil Einsicht sie frei gemacht hat im Gehorchen, oder sie wenigstens darin frei machen soll.
Nur auf der ihnen zugestandenen Fähigkeit zu dieser Einsicht, also zum Bewußtsein ihrer Stellung zu gelangen, kann die höhere Achtung beruhen, die ihnen das Christenthum erworben hat. Und es hat ihnen diese Fähigkeit zugestanden, indem es ihrem unsterblichen Geiste dieselben Pflichten auferlegte, wie dem Manne, nämlich das Göttliche zu erfassen mit der Erkenntniß und dem Willen, indem es ihm dieselben Aussichten eröffnete wie dem Manne, nämlich nach der Vollendung des irdischen Daseins in einem höheren das Göttliche zu schauen und sich ihm in Liebe zu vereinigen. Dadurch hat das Christenthum die Unterordnung der Frauen nur auf Beziehungen des Vergänglichen beschränkt, in Allem aber, was ewig ist, sie dem Manne gleichgestellt. Dadurch aber hat es ihnen auch die Pflicht auferlegt, das Bewußtsein des Ewigen, also das Bewußtsein ihres wahren Selbst, in sich zu entwickeln. Dieses ihr freies Selbst tritt in die Außenwelt ein und kömmt mit ihr in zahlreiche Beziehungen, die Frau muß daher auch diese Beziehungen erfassen, und da sie im Laufe der Zeiten wechseln, mit denselben fortschreiten.
Endlich haben die Gegner der fortschreitenden Bildung der Frauen übersehen, daß das Bleibende im Wechsel der Erscheinungen ein zweifaches ist, je nachdem es der Natur oder dem Geiste angehört, und daß es in den zwei großen Abschnitten, in welche die Weltgeschichte zerfällt, in dieser zweifachen Gestalt erkannt worden sei, im ersten, dem der heidnischen Weltanschauung, als Natur, im zweiten, dem der christlichen Anschauung, als freie Persönlichkeit.
Wenn es nun die Aufgabe des Weibes ist, in ihrem Leben das Bild dieses Bleibenden in der Ruhe darzustellen, daß sie das, was der Mann außer sich bildet, in sich darstelle, damit er sich an der fertigen Erscheinung dessen erlabe, wonach er schaffend ringt; so geht schon daraus hervor, wie ganz anders die Forderung an weibliche Bildung sich gestalten muß, wenn die Natur, das Bewußtlose, als wenn der Geist, das Bewußte, als das Bleibende erkannt wird. Unbewußt folgten die Frauen in der ersten Weltanschauung dem Vorbilde der Natur; mit Bewußtsein, das Ideal als Bleibendes des Geistes in sich darzustellen, ist in der zweiten ihre Aufgabe.
Bewußtsein also ihrer selbst und ihrer Beziehung zur Gestaltung ihrer Zeit ist die Aufgabe, welche die Bildung der Frauen erfüllen soll; von der aber der bei weitem größte Theil der Mütter und Erzieherinnen keine Ahnung hat. Die weibliche Bildung liegt im Argen; Bewußtlose Natur und Unnatur sind die Klippen zwischen denen sie hin und hergeworfen wird. In den besseren und selteneren Fällen wird das Mädchen zur guten Haushälterin erzogen; in den weit häufigeren schlimmeren aber läuft ihre sogenannte Erziehung auf ein bloßes Abrichten zu allerlei scheinbaren Fertigkeiten hinaus, die als Nebensachen ihr Geltung haben, aber alle zusammen nicht so viel werth sind, als das Eine, was noth thut: ein selbstbewußter, klarer Wille. Früher mochte es dahin gehen, daß die Frauen vergaßen Frauen zu sein; denn auch die Männer hatten ihrer Mannheit vergessen. Jetzt aber, wo sie sich ermannt haben und mit einem Schlage das alte Gemäuer niedergerissen, und wo sie sich rüsten zur ungeheuern Arbeit des Aufbaus eines neuen, jetzt, wo die große Zeit großen Sinn erfordert sie zu verstehen, und großen Muth die großen Opfer zu bringen, die sie auferlegt, und nicht zu zagen, weil die Glut der Sonne uns trifft unter dem weggerissenen Dache, und die Stürme die Trümmer erschüttern, unter denen wir wohnen, und der Staub der abgebrochenen Steine unsere Augen blendet; jetzt thut es noth, daß auch die Frauen erwachen aus den Träumen ihrer Tändeleien, und das fast erloschene Feuer des Ideals wieder anfachen auf dem Altare ihres Innern als eine leuchtende und wärmende Flamme im Sturme der Zeit. Die Worte, die ich an euch richte, ihr Alle, die ihr Theil nehmt an der Bildung der Mütter des heranwachsenden, freien Geschlechtes, sollen ein Hauch sein, der diese Flamme belebt. Das ist das Ziel, das ich mir vorgesetzt habe.
Die Forderungen, welche der neue gewaltige Umschwung an die weibliche [S. 312] Bildung macht, sind unzählige. Sprechen wir zuerst von der höchsten, von jener in Beziehung auf die Religion. Ich will dem zweifachen Irrthume entgegentreten, in dem ich die Mehrzahl der Mütter und Erzieherinnen befangen sehe. Die Einen fertigen die Religion in der Erziehung als einen Fachgegenstand ab, sie schieben sie auf die Seite, und meinen, es sei schon genug, wenn sie nur dem Mädchen durch Aufstellung einer Autorität die Mühe des Fragens nach dem Uebersinnlichen ersparen, und ihm für die Zeit, wo es vielleicht an irdischem Genusse darben könnte, einen Nothpfennig etwaigen himmlischen Trostes zusammenlegen. Die Anderen hingegen erfassen die Religion mit ascetischer Strenge, sie meinen nicht exclusiv genug sein zu können, und zertreten unbarmherzig das Paradies der Jugend mit seinen Blüthen des Ideals, der Freiheit, Liebe und Natur, um Platz für ihr Gerippe der Religion zu gewinnen, dem sie alles Lebendige ausgezogen haben. Aber ihr Gespenst der Kirche hat nicht mehr Aehnlichkeit mit dieser, als ein düsteres Klostergewölbe mit der harmonischen Größe des St. Petersdomes. Diesem zweifachen Irrthume des Indifferentismus und der ascetischen Einseitigkeit will ich mit einer Ueberzeugung begegnen, die auf’s Innigste an der Wahrheit der christlichen Lehre hängt, so wie an der Wahrheit des Fortschreitens des menschlichen Geschlechtes unter der Aegide der Freiheit.
Die lang verkannte Versöhnung dieser beiden Wahrheiten will ich ihrer Beziehung auf weibliche Bildung in ein klares Licht stellen. Zeigen will ich den Indifferenten, daß die Religion nichts Appartes [!] sein kann, sondern ein das ganze Leben Durchdringendes und Bildendes sein muß; zeigen will ich den Exclusiven, daß sie eben, weil sie das ganze Leben durchdringt, nichts wahrhaft Menschliches ausschließen kann, und in dem vornehmsten ihrer Bekenntnisse nicht blos deshalb die „allgemeine“ (katholische) heißt, weil sie alle Zeiten und Orte, sondern auch weil sie alle Kräfte und Verhältnisse des Menschen umfaßt; zeigen will ich ihnen, daß eben unter dem Einflusse dieser Religion das Herz des Weibes erglühen muß für Bildung, Freiheit und Vaterland. – Es mögen wohl Manche mißbilligend bemerken, daß ich mich von vorn herein so entschieden als christlich erkläre und meinen, ich hätte mich ja an das allgemein Menschliche halten können. Diesen antworte ich; daß mir das allgemein Menschliche eben nur in der christlichen Lehre erscheint, und daß ich eben, weil sie in meiner Ueberzeugung nichts wahrhaft Menschliches ausschließt, sondern alles durchringt und beseelt, dasjenige nicht verschweigen konnte, noch wollte, wovon ich durchdrungen und beseelt bin. Ich wollte die Zweige nicht geben ohne den Stamm, die Pflanze nicht ohne die Wurzel. Fern sei überhaupt von uns Allen die feige Gesinnungslosigkeit, die da meint hinter dem Berge halten zu sollen mit ihrem religiösen oder politischen Glaubensbekenntnisse. Frei bekenne Jeder, was ihn durchs Leben führt. Und so bekenne ich es laut in Mitte der frohen Begrüßung, die auch ich aus vollem Herzen dem unbefleckten Siege der Freiheit zurufe, daß ich das vollendete Heil der Menschheit nur vom Kreuze erwarte, von dem allein meine Stärke und meine Zuversicht kommt, unter dessen Fahne allein der Egoismus, der ewige Jude, der die Welt durchzieht und nicht sterben kann, zu überwinden und gefangen zu nehmen ist. Denn: „die Welt befreien kann die Liebe nur, nicht der Haß, der Sclave der Natur.“
[S. 319] Ueber weibliche Erziehung
II.
Meinem Versprechen gemäß wende ich mich an die Mütter und Erzieherinnen, ihnen, so viel ich es vermag, den Weg andeutend, auf dem sie ohne Anstoß zwischen den beiden Klippen des Charakterlosen und des Exclusiven hindurchschiffen können. Hier ist ein Widerspruch zu lösen, wie in allem Denken. Denn, wenn es dem oberflächlichen Blicke, als eine unbestreitbare Wahrheit erscheint, daß sich das Widersprechende nicht denken lasse, so erschaut der tiefere, daß das Denken eben nichts Anderes ist, als das Versöhnen des Widersprechenden. Wo kein Widerspruch, da kommt es gar nicht zum Denken; da ist nur ein Ausspruch des unmittelbaren Bewußtseins, weil die Aufforderung fehlt, denn nur der Widerspruch erregt den Zweifel, und nur der Zweifel fordert das Denken heraus.
Ich tadle den Mangel des Unterscheidenden im Characterlosen; ich tadle das Vorhandensein desselben im Exclusiven. Werde ich nun nicht selbst exclusiv in der Verwerfung des Charakterlosen, nicht selbst characterlos in der Verwerfung des Exklusiven? Ich würde es, wenn ich nicht in einem Andern die Unterscheidung, in einem Andern die Gleichheit forderte. Es sei mit vergönnt, meine Meinung an einem Beispiele zu erläutern: Alle Philosophen haben die Ausübung der Tugend in die Beherrschung des Triebes durch den vernünftigen Willen gesetzt. Darin stimmten sie überein. Aber den Grund dieser Forderung des Sittengesetzes erblickte Jeder in etwas Anderem; der Jünger Plato’s in dem Streben nach Gottähnlichkeit, der Stoiker in dem Bedürfnisse der Selbstverachtung, der Epikuräer in dem Wunsche nach Genuß. Bei Plato also herrsche das Höhere um Gottes, beim Stoiker um seiner selbst, beim Epikuräer in der Selbsterhaltung des Triebes willen. In Fällen, die keine große Aufopferung forderten, würden sie Alle dieselbe Handlungsweise für die beste gehalten haben, nur aus verschiedenen Gründen. Die Wirkungen, die sie von der Tugend verlangten, waren im gewöhnlichen Leben die nämlichen, aber die Wurzel [!] aus der sie sie hervorgehen sahen waren verschieden. Diese verlieh der Handlungsweise eines Jeden ihren besonderen Character und sittlichen Werth. Die Moral eines Jeden beruhte auf seiner Philosophie, und nach dieser gestalteten sich die Lehren derselben. Die practischen Resultate glichen sich; aber der Kern, aus dem sie hervorgingen, war verschieden; und so muß es bei jeder Lehre sein. Als Frau von Staël als echte Französin Fichte fragte, ob er ihr nicht seine Moral früher mittheilen könne, als seine Metaphysik, antwortete er „Jene hängt von dieser ab.“ Und wer könnte zweifeln, daß nur diejenige Gesinnung, Ueberzeugung und Bildung Halt und Bestand hat, bei der Alles als organisches Gebilde aus Einer Einheit hervorgeht und sich auf dieselbe zurückführen läßt? Was hier von der Philosophie gilt, muß auch von der Religion gelten; denn in seiner Ueberzeugung vom Höchsten muß der ganze Mensch wurzeln, soferne er wahrhaft Mensch sein will. Verwerflich ist daher jede Moral und jede Erziehungslehre, der man es nicht ansieht, welcher religiösen Ueberzeugung sie angehört. Denn eine solche Moral oder Erziehungslehre läßt sich auf keine Einheit zurückführen und kann daher nur ein Conglomerat zufällig zusammengekommener Bestandtheile sein. Nur die seichteste Oberflächlichkeit kann dieß einen Beweis der Aufklärung und Humanität rühmen, während kein Beurtheiler anstehen würde ein Werk praktischer Philosophie (und dahin gehören Moral und Erziehungslehre doch gewiß) unbedingt für schlecht zu erklären, wenn sich daraus nicht entnehmen ließe, ob der Verfasser sich zu Hegels, Schelling’s, Fichte’s oder eines Andern Lehre bekenne oder seinen eigenen Weg gegangen sei. Und der Christ sollte sich’s zur Ehre schätzen, wenn seiner Anschauungsweise das christliche Gepräge mangelt? Er sollte das Recht, das dem Anhänger jeder Philosophie zugestanden, ja dessen Benützung sogar von ihm gefordert wird, das Recht alle seine Ueberzeugungen folgerecht aus einer Wurzel entspringen zu lassen, nicht auch für sich in Anspruch nehmen und benützen? Er sollte im Hause einer fremden Lehre zur Miethe wohnen und nur verstohlen zur Zeit der Noth zum halb verschütteten Altare seiner Heimath flüchten? Ferne sei diese Schmach von uns! Wir wollen mit Ernst der alles verwischenden Charakterlosigkeit entgegentreten, mit dem Ernst des entschiedenen Wollens, weder sich selbst noch Andere zu täuschen; mit dem Ernst des organisch-bildenden Denkens das ganze Leben auf dem Grunde Einer Einheit sich gestalten lassen.
Jede Ueberzeugung im Denken eines Menschen, die nicht aus dem Grundkeime seines Bewußtseins entsprossen ist, taugt zu nichts, ist ein fremdes Glied in dem Bau des Geistes, das herausgeschnitten werden muß, wenn es nicht alles faul machen soll. Darin also muß sich eine christliche Erziehungslehre vor jeder andern unterscheiden, daß sie alle ihre Forderungen aus dem Grundprincip ihrer Religion herleitet. Darin muß sie streng und scharf in sich selbst abgeschlossen sein. Eben deßhalb aber, daß sie, wie jede Lehre, exclusiv in der Aufstellung ihres obersten Grundsatzes sein muß, kann sie nicht exclusiv in den Resultaten sein, die sie für die menschliche Bildung daraus folgert; denn diese weichen von denjenigen, die eine gereinigte Philosophie verlangt wohl wesentlich in der Absicht ab, aus der sie hervorgehen, keineswegs aber in dem zur Erscheinung Gelangten. Der Fehler der Exclusiven entspringt also aus demselben Grunde, wie der der Charakterlosen, aus dem Mangel des Bewußtseins des obersten Grundes ihrer Lehre. Die Characterlosen nämlich möchten auch gern mitmachen, was die Zeit fordert; da sie aber nicht wissen, wie sie damit eine Lehre zusammenreimen sollen, die sich entschieden der Welt gegenüberstellt, es aber doch des Jenseits wegen mit jener, des Dießseits willen mit dieser nicht verderben wollen, so kommen sie auf den Einfall, das Kind zu zerschneiden und jeder der Beiden, die mütterliche Ansprüche daraufmachen, der irdischen und der himmlischen, eine Hälfte zu geben, wobei sie dann freilich beide statt des lebendigen organischen Wesens nur eine chemische Masse erhalten, die sich unfehlbar zersetzen und faulen muß. Die Exclusiven hingegen, denen es mehr Ernst ist, werfen in der Angst alles Irdische über Bord, um ihr Lebensschifflein zu erleichtern; aber weil es keinen Boden hat, muß es untersinken. Sie sind sich der Wurzel dessen, was sie ihre Ueberzeugung nennen, also des wahrhaft Unterscheidenden derselben nicht bewußt, und suchen es in allerlei rein individuellen Erbaulichkeiten und Aeußerlichkeiten, an die sie sich mit Eigensinn hängen und deßhalb alles denselben Entgegenstehende verwerfen. Was aber ist die Wurzel der christlichen Weltanschauung? „Die Anerkennung des Creatürlichen im freien Geiste,“ und als unausbleibliche Folgerung „die Anerkennung der Erlösung durch Christum.“ Da nun die Moral jedes Lehrgebäudes auf seiner Metaphysik beruht, so beruht auch die christliche Moral auf der christlichen Metaphysik. Dieser Grund ist die Anerkennung der Abhängigkeit von Gott durch die Schöpfung und Erlösung; also muß der Grund ihrer Sittenehre die practische Anerkennung dieser Abhängigkeit „Demuth“ sein, während der Grund der Sittenlehre in der edelsten Philosophie „die Herrschaft des freien Willens über das Unfreie“ ist. Nun gebietet die christliche Lehre dasselbe, aber nicht als Höchstes, sondern sie will die Unterwerfung des Unfreien unter das Freie, nur damit das geschaffene Freie dadurch fähig werde, sich dem Ungeschaffenen zu unterwerfen. Ob aber diese Unterwerfung um der Würde des freien Geistes willen allein, oder um Gottes willen gefordert werde, in jedem Falle verpflichtet sie zur harmonischen Ausbildung der gesammten menschlichen Kräfte auf dem Grunde des Bewußtseins. Denn nur dadurch wird das Freie zur Herrschaft über das Unfreie geschickt. Zweck der Erziehung ist aber den Zögling zur Erfüllung der Forderungen des als Höchsten Erkannten tauglich zu machen. Die christliche Erziehung stimmt also darin mit der nur auf philosophischem Grunde ruhenden überein, daß sie, gleich ihr, harmonische Ausbildung des ganzen Menschen fordert; nur dadurch, daß sie die Ausbildung auf Gott bezieht unterscheidet sich die christliche Erziehung von der blos menschlichen.
[S. 405] Ueber die bürgerliche Stellung der Frauen.
III.
Obgleich der durch die Ueberschrift bezeichnete Gegenstand dieses Aufsatzes die engen Grenzen, die ich mir anfangs gesetzt hatte, in etwas überschreitet, so steht er doch mit meinem Hauptzwecke, der Besprechung der weiblichen Bildung, in so naher Verbindung, die Bildung der Frauen und ihre bürgerliche Stellung bedingen sich wechselweise so sehr, daß mir diese Abschweifung wohl erlaubt sein mag. Sowohl die Bildung als auch die bürgerliche Stellung der Frauen müssen aus der Bestimmung derselben hervorgehen. Doch ist bei Bestimmung der bürgerlichen Stellung des weiblichen Geschlechtes noch eine andere Rücksicht zu nehmen, die in der Beschaffenheit der Gesellschaft liegt. Einziger Zweck der Gesellschafft ist zwar jedem Gliede derselben im Einklange mit allen zum Erreichen der menschlichen Bestimmung, welche ist Erkenntniß des Höchsten im Geiste und Vereinigung mit demselben im Willen, zu verhelfen. Doch als Mittel zum Erreichen dieses Zweckes muß sie sich die Erhaltung des irdischen Lebens angelegen sein lassen. Und so vielfältig sind die Bedürfnisse desselben, so gebieterisch ihre Forderungen, daß es der angestrengtesten Sorgfalt bedarf, um zu verhüten, daß der Schrei der Natur die Stimme des Geistes nicht übertöne. Sie schreit aber im übersättigten Uebermuthe des Luxus, wie im verzweiflungsvollen Hunger des Mangels. Damit also die Forderungen des Geistes vernommen werden können, ist es nothwendig den Schrei der Natur zu stillen. Zwar dem abgezogenen Nachdenken erscheint überall nur Eines, es erkennt in Demjenigen, welches zur Erhaltung des irdischen Lebens dient, zugleich die Erfüllung einer Hälfte der Aufgabe der menschlichen Bestimmung, nämlich der Unterwerfung der Natur. Denn in ihrem Schooße trägt sie Alles, was der Mensch bedarf, insofern er ihr entsprossen ist, und es bedarf nur der Arbeit, um es zu Tage zu fördern. Jeder, der nicht zur kleinen Zahl Derjenigen gehört, die durch eigenthümliche Begabung bestimmt sind, unmittelbar durch das Wort auf Geister zu wirken, soll seinen Theil zu dieser Unterwerfung der Natur, theils im Hervorbringen ihrer Produkte, theils im Bearbeiten derselben, beitragen, und müßte es, auch ohne Rücksicht auf das persönlich Bedürfniß, weil er der Würde des Menschen nur durch wirkende Theilnahme an der Bestimmung desselben theilhaft werden kann. Aber dem oberflächlichen Blicke erscheint diese Forderung nur als das Bedürfniß der Selbsterhaltung, welches in der That im Bewußtsein jener vorhergegangen ist und sie geweckt hat. Diese Art der Arbeit ist nicht wie die der geistigen Wirksamkeit eine als Entwicklung des Bewußtseins in demselben gegebene Erfüllung unserer Bestimmung, sondern sie ist ein durch das Bewußtsein vermittelte und der Vermittlung desselben bedürftige. Ohne dies Bewußtsein ist sie eine blos mechanische, die Würde des Menschen herabsetzende, da nun die Arbeit dies Bewußtsein nicht mit sich führt, kann es nur in den Zwischenräumen derselben, in den Stunden der Muße entwickelt werden. Jeder halt also, wie Fichte lehrt, das Recht, seinen Antheil an der Muße zu fordern, so wie er die Pflicht hat seinen Antheil an der Arbeit zu erstatten. Die Verhütung des Mangels und der übermäßig angestrengten Arbeit ist also eben so sehr eine geistige als eine materielle Aufgabe; eine Aufgabe, die sich nicht minder auf das weibliche als auf das männliche Geschlecht erstrecken muß. Und wer bedarf ihrer mehr als das weibliche Geschlecht? Denn während dem Manne die Welt des Geistes und der Natur offen steht, daß er im Gebiete derselben durch die Kraft wirke, die sein Erbtheil ist, beschränkt sie des Weibes Wirkungskreis im Geistigen auf die Darstellung des Bleibenden im Wechsel, im Materiellen auf jene Verarbeitung des Stoffes, welche keine physische Kraftanstrengung erfordert. Billig ist es also, sie nicht noch mehr zu beengen, als die Nataur sie beengt hat, ihrer Thätigkeit keine andern Schranken zu setzen, als die ihrer geistigen und körperlichen Befähigung. Man könnte einwenden, da die Bestimmung des Weibes die Ehe sei, in der der Mann der erwerbende, die Frau der erhaltende Theil ist, erweise sich diese Rücksichtnahme als überflüssig. Wohl ist die Ehe die eigentliche Bestimmung des Weibes, aber nur wenn es eine Ehe aus Liebe ist. Ich nehme hier das Wort Liebe nicht im sinnlichen, sondern im christlichen und daher wahrhaft menschlichen Sinne, in dem es in Bezug auf die Verbindung von Mann und Weib jene Harmonie der natürlichen Anlage und der erworbenen Gesinnung bedeutet, welche dem gemeinsamen Streben nach dem Ziele unserer Bestimmung zum Grunde liegen muß. Ohne diese Harmonie ist die Ehe eine legale Prostitution, also eine Verhöhnung des Vertrages, auf der die Ehe beruht, und der religiösen Weihe derselben. Soll nun das Weib, im Falle ihr nicht verliehen ist, jene wahrhaft geadelte Verbindung einzugehen, sich der erwähnten legalen Prostitution hingeben, um ihre Bestimmung zu erreichen? Das sei ferne, da wir erkannt haben, daß eine solche Ehe Entweihung der Ehe ist. Sie wird also in diesem Falle allein stehen; sie wird selbstständig ihren Antheil an der allgemeinen Arbeit abtragen, und ihren Antheil am allgemeinen Erwerbe dafür empfangen müssen. Welche Wege sollen ihr nun im Geistigen, und welche im Materiellen dazu offen stehen? Im Geistigen Jeder, der nicht außer den Grenzen ihrer Bestimmung; im Materiellen jeder, der nicht außer den Grenzen ihrer physischen Kraft oder ihrer sittlichen Bestimmung liegt. Da nun die Bestimmung des Weibes die Darstellung des Bleibenden im Wechsel, die des Mannes die fortschreitende Hindurchführung des Bleibenden durch die Gestalten des Wechsels ist, so fällt dem Manne ausschließend die Gesetzgebung, Staatsverwaltung, Rechtsführung, Kriegführung, das öffentliche Lehramt der Wissenschaft und der Handel anheim. Dem Weibe bleibt im Geistigen nur die Erziehung und der Unterricht der weiblichen Jugend. – Daraus erhellt die schreiende Ungerechtigkeit derjenigen Männer, die vom Egoismus ihres Sonderinteresses verblendet, fordern, daß man den Frauen die Ausübung des geistigen Unterrichtes der Mädchen, sei es nun in der Schule oder im Hause untersage. Welche [S. 406] Gründe haben sie dafür anzuführen? Keine, als daß ihnen dadurch ein Theil ihres Erwerbs entzogen werde. Aber könnten nicht die Frauen denselben Grund dafür anführen, daß den Männern das Recht des Unterrichtes der weiblichen Jugend genommen werden solle. Könnten sie ihnen nicht zurufen: „Warum schlagt ihr nicht einen der tausend Wege ein, die euch offen stehen, statt uns einen der wenigen zu vertreten, die uns bleiben? Hat der Staat nicht eben so sehr für uns wie für euch zu sorgen? – (Von der Ausübung der schönen Künste habe ich deswegen nicht gesprochen, weil sie als Aufgabe des Lebens sowohl beim Manne als beim Weibe eine Ausnahmestellung ist, zu der man geboren sein muß). – Im Materiellen ist das Weib von allen Beschäftigungen ausgeschlossen, die entweder ihrer sittlichen Bestimmung oder ihrer körperlichen Schwäche widerstreben. Es bleibt ihr also kaum etwas Anderes übrig, als die Land- und Hauswirthschaft, die Krankenpflege und die Verfertigung der Wäsche und der weiblichen Kleidungsstücke. Da nun diese Geschäfte größtentheils in der Familie besorgt werden, so ist der Erwerb wahrlich klein genug, und sie könnten gewiß mit weit größerem Rechte verlangen, daß den Männern die Verfertigung weiblicher Kleidungsstücke untersagt würde, als diese es von ihnen fordern. Ein solches Verbot an die Frauen würde nur Hunderte aus Verzweiflung in den Abgrund des Lasters stürzen. Und die sich sittlich aufrecht erhielten, fielen dem Elende anheim, wenn sie blos auf die Verfertigung der Wäsche beschränkt wären, die noch weit häufiger in den Familien besorgt wird, oder auch die eigentliche Putzmacherei, wo die Concurrenz so groß ist. Schutz ihres rechtlichen Erwerbes bedürfen die Frauen so gut wie die Männer.
IV.
Ich habe in meinem letzten Artikel der Ehe als der eigentlichen Bestimmung der Frauen erwähnt. Doch dieß bedarf einer Begründung zu einer Zeit, die so wesentlich die des erwachten Bewußtseins ist, daß alles Bestehende vor den Richtstuhl desselben gezogen werden muß. Das Ziel das ich mir gesetzt habe, ist sowohl die innere (daher durch Erziehung bedingte) als die äußere (sociale) Stellung der Frauen von meinem Standpunct aus mit der Forderung, die unsere Zeit an das Bewußtsein macht, in Einklang zu bringen. Das Wichtigste nun, das in dieser Beziehung zur Sprache kommen kann, ist das Institut der Ehe. In neuerer Zeit vielfältig mit und ohne Geist angegriffen, hat es zwar an den schärfsten und tiefsten Denkern, von denen ich nur Fichte und Hegel nenne, eine begründende Vertheidigung gefunden, die wohl den oberflächlichen, wenn auch glänzenden Angriffen ihrer Gegner die Spitze bieten kann. Doch krankt jene Vertheidigung, an der die vorzüglich in der Ehe zur Erscheinung kommende Harmonie des Lebens verkennenden Starrheit, von der sich keine Philosophie befreien kann, die nicht aus dem Mittelpuncte der allumfassenden Religion hervorgegangen ist. Fichte nämlich verkennt das Element der Mütterlichkeit, da er in seiner Forderung der Nationalerziehung den Vorschlag macht, den Müttern die Kinder zu nehmen; Hegel verkennt das Element der persönlichen Liebe, indem er will, daß ohne Rücksicht darauf der Wille der Eltern die eheliche Verbindung bestimme, und also die Harmonie, die er in der Ehe erblickt, nur eine Harmonie der Gattung in der Verbindung von Mann und Weib überhaupt, nicht eine Harmonie zweier zur Verwirklichung Eines Gottgedankens gleichgestimmter freier Persönlichkeiten ist. Andere wollen in der Ehe nur die Mütterlichkeit gelten lassen; sie behaupten, die Ehe müsse sein, nur um der Kinder willen; daher kehren sie denn auch die bestehende Ordnung um, und die Mutter erscheint ihnen als das Haupt der Familie, wie Rachel will. Die christliche Ansicht verliert keines der beiden Elemente der Ehe aus den Augen; ihr ist die Ehe sowohl die Pflanzschule des werdenden Geschlechtes als die gemeinsame Verbindung zweier freier Persönlichkeiten zu dem Ziele, zu dem sie geschaffen wurden. Das Erste war sie schon vor Christus; das zweite wurde sie erst nach der Befreiung durch Ihn. Ich habe als Bestimmung der Frauen die Darstellung des Bleibenden im Wechsel bezeichnet; ich habe ferner ausgesprochen, daß die heidnische Welt das Bleibende in der Natur sah, während es die christliche im Ideal anerkennt. Als Aufgabe der einzelnen Frauen habe ich hingestellt, je nach ihrer eigenthümlichen Beschaffenheit das Ideal so vollkommen in sich zu entwickeln, als ihnen die Anlage dazu geworden, und dadurch, unverwirrt vom Treiben des Weltganges, dem Wirkenden im großen Getriebe eine Stätte der Erquickung und des Friedens zu bereiten. Deshalb müssen sie ausgeschlossen sein und sich selbst ausschließen wollen vom Drange des öffentlichen Wirkens. Deshalb auch muß sie der schrankenlosen Begierde, sie und sich selbst beschränkend, die Schranke sittlicher selbstbewußter Würde entgegensetzen, die sich nur Einem hingibt, und für’s ganze Leben, in freier Wahl, zum freien Gehorsam der Liebe. Als Bedingungen einer sittlichen Ehe erscheinen also außer der schon im Begriffe der Ehe liegenden Beschränkung, die lebenslange Dauer, die freie Wahl, und der Gehorsam, und zwar die Beschränkung, weil ohne sie die Verbindung von Mann und Weib, weit davon eine Ruhestätte im bewegten Treiben der Welt zu sein, im Gegentheil, eine unversiegende Quelle leidenschaftlichen Streites würde; die lebenslange Dauer, weil ein provisorischer Zustand keine Ruhe gewähren kann, und weil das Opfer des Weibes so groß ist, daß sie sich selbst wegwerfen würde, wenn sie es mit dem Vorbehalt brächte, es wieder zurückzunehmen, da sie das nicht zurücknehmen kann, was ihm den Werth gibt; die freie Wahl, weil sie nur durch diese zu erkennen gibt, daß sie nicht der bewußtlosen Natur, sondern der durch Liebe zum Bewußtsein gebrachten gehorcht; endlich der Gehorsam, weil sie nur durch ihn zeigt, daß sie sich in ihrem Verhältnisse zum Leben versteht; denn so gewiß sie erkennen muß, daß dies irdische Dasein nicht um der Ruhe sondern um des Kampfes willen gegeben wurde, so gewiß muß sie erkennen, daß die Ruhe die sie darstellen und gewähren soll, nur Erquickung zum Kampfe, also als Mittel diesem untergeordnet sei, daß folglich sie selbst, das Weib, dem Kämpfenden nicht gleich, sondern in unterworfen sein soll. (Ich rede nicht von dem innern Kampf, den auch sie so gut wie der Mann zu bestehen hat, sondern von dem äußern).
Gegen die lebenslange Dauer ist vielfältig Widerspruch erhoben worden, vorzüglich deßhalb, weil die Ehe die Liebe nicht überleben solle, diese aber nicht vom Willen abhänge und deren Dauer nichts verbürgen könne. Von der blos sinnlichen Leidenschaft ist dieses wohl wahr, nicht aber von der wahren Liebe, die, da sie auf gleichem Streben nach dem Höchsten beruht, so lange währen muß, als die Ueberzeugung davon. Man möchte erwiedern, daß man wohl für sich selbst, in seiner Ueberzeugung, Treue geloben könne, nicht aber in der Seele des Andern, und wenn in dieser dann das Streben nach dem Ideal erlösche – in eigener Liebe nicht fortdauern könne. Darauf erwiedere ich, daß es ja eben im Geiste der innigsten menschlichen Verbindung liegt, das heilige Feuer des Guten und Wahren gemeinsam zu nähren, und daß daher Derjenige, der gewahr wird, daß es in dem Andern zu erlöschen drohe, nicht aufhören darf es in ihm anzufachen und die Hoffnung des Gelingens nur mit dem Leben lassen soll. – Wenn aber eine Verbindung, wie die meisten, nicht aus Liebe geschlossen wurde, sondern aus Interesse, Convenienz oder Sinnlichkeit, ist dann die Unlösbarkeit nicht ein Fluch? – Eine solche Verbindung war schon von Anfang an unsittlich, und daß, wenn sie auch Trennung zur Folge hat, kein neues Band geschlossen werden solle, ist die einzige Sühnung, die einzig mögliche Erhebung nach solcher Wegwerfung. Wenn man gefaselt hat, daß es gewissermaßen eine Niedrigkeit im weiblichen Charakter sei, auch nach dem tiefsten unverschuldeten Unglück noch Versöhnung und guten Ausgang für möglich zu halten, so ist die Beschuldigung der Niedrigkeit beim verschuldeten Unglück vollkommen wahr, auch wenn es durch Irrthum verschuldet wäre. Innere Versöhnung ist immer möglich, nicht so äußere. Das Leben ist verfehlt, wenn es die Verbindung ist aus der es hervorquillt, und nur die Kraft der Entsagung bleibt dem Wankenden als Stütze.
[S. 311] *)Es ist eine weibliche Feder, welche diese Zeilen niederschrieb. Es herrscht in ihnen eine Klarheit des Zweckes und eine Innigkeit des Ausdruckes, daß wir uns scheuten eine der reichen Blüten zu knicken, selbst auf die Gefahr hin neuen Anlaß zu Angriffen und Verdächtigungen zu bieten. D. Red.
(Wortwahl, Grammatik, Rechtschreibung und Zeichensetzung entsprechen dem Original. Die im Original durch Sperrung hervorgehobenen Wörter wurden kursiv gesetzt. In eckigen Klammern steht die Zahl der jeweiligen Seite des Originaltextes. Offensichtliche Druckfehler wurden berichtigt.)