Call for Papers «Erwachsenenbildung und Raum» Risse und Kontinuitäten: Raumphänomene in der Erwachsenen-bildung neu verhandeln?

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Call for Papers «Erwachsenenbildung und Raum» Risse und Kontinuitäten: Raumphänomene in der Erwachsenen-bildung neu verhandeln?

10.03.2022 - 11.03.2022
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Justus-Liebig-Universität Gießen (Deutschland)

Das erwachsenenpädagogische Denken über Raum und das raumbezogene Handeln konstituieren die räumliche Dimension der Erwachsenenbildung. Diese erfährt in sich wandelnden historisch-gesellschaftlichen Kontexten je spezifische Ausprägungen, die sich als Kontinuitäten und Diskontinuitäten, Brüche oder Risse im erwachsenenpädagogischen Raumdenken und im raumbezogenen Handeln zeigen. Der Raumbezug der Erwachsenenbildung verändert sich im Wandel gesellschaftlicher Rahmenbedingungen, die sich als kontinuierliche Entwicklung oder als plötzliche Veränderungen vollziehen können. Die einschneidende Erfahrung des plötzlichen Verlusts von Präsenzveranstaltungen während der Covid-19-Pandemie hat beispielsweise eine intensive Diskussion über die Bedeutung des Lernens in nicht-digitaler Präsenz hervorgebracht. Zugleich hat sie den Einsatz digitaler Techniken in der Erwachsenenbildung forciert und damit auch eine Auseinandersetzung über adäquate didaktisch-methodische Konzepte und Interaktionsformen für den digitalen Raum.

Die Kontinuitäten von und Risse in Vorstellungen über Raum und der Aufmerksamkeit für den Raumbezug im Lernen von Erwachsenen und im professionellen Handeln in der Erwachsenenbildung werden im Rahmen der Tagung über verschiedene Schwerpunktthemen aufgenommen und so insgesamt das Verständnis von Raum/Räumlichkeit in der Erwachsenenbildung sondiert. Die räumliche Dimension spiegelt die Abhängigkeit des Raumbezugs in der Erwachsenenbildung von gesellschaftlichen Umbrüchen, historischen Kontexten wie auch Einflüssen aktueller gesellschaftlicher Phänomene. Die Tagung widmet sich solchen Kontextualisierungen zum Verhältnis von Raum und Erwachsenenbildung in Zeiten der Veränderung und will die gesellschafts- und zeitbezogene Einordnung von Raumphänomenen diskutieren. Die Tagung greift insbesondere folgende fünf Schwerpunktthemen auf, die als Raumphänomene durch aktuelle Entwicklungen in der Erwachsenenbildung (wieder) in den Vordergrund gerückt sind:

  1. Lernen findet immer in Kontexten statt und konstituiert Bildungsräume über den räumlichen Bezug des Lernens und in Auseinandersetzung mit den Bedingungen vor Ort. Erwachsene lernen in unterschiedlichsten Kontexten, deren räumliche Verortung vom Kursraum eines Anbieters über den Arbeitsplatz oder eine Bibliothek bis hin zum eigenen Wohnumfeld reichen kann. Den Wechsel zwischen diesen Orten organisieren und gestalten die Lernenden, wobei die meisten dieser Orte für Lern- und Bildungsprozesse in nicht-digitaler Präsenz genutzt und um digitale Möglichkeiten erweitert werden. Die Lernenden konstituieren so an verschiedenen Orten Räume der Erwachsenenbildung und kreieren auch Zusammenhänge zwischen den Orten. Dem Phänomen der Konstitution von Bildungsräumen durch lernende Erwachsene wendet sich der Themenschwerpunkt (a) Räumliche Kontexte des Lernens zu. Wie entstehen diese Räume? Wie nehmen sie auf den Kontext Bezug? Wie orientieren sich Erwachsene in diesen Kontexten des Lernens?
  2. Technisierte Räume sind mittlerweile allgegenwärtig und stellen die Frage nach der Präsenz und Absenz (oder der vermeintlich gleichzeitigen Präsenz in mehreren Räumen) in neuer Weise. Audio-visuelle Unterbrechungen oder gar Störungen bei Webex-, BigBlueButton-, Teams- oder Zoom-Veran-staltungen, "dunkle Kacheln" anstelle von Teilnehmendengesichtern, die Ungleichzeitigkeit in hybriden Lehr-Lernsettings usf. sind nur wenige Beispiele, die die Frage nach dem Status der Technik in Lehr-Lernsettings aufkommen lassen. Der Themenschwerpunkt (b) Präsenz und Absenz im Horizont "technisierter Räume" nimmt diese Fragen auf. Die Zuwendung zu technisierten Räumen unter der Frage von An- und Abwesenheit lohnt sich, weil sie im Horizont medialer Wissensvermittlung und medial vermittelter Lern- und Bildungsprozesse eine konstitutive Rolle spielen. Zugleich eröffnet sich damit eine Perspektive, die das Zusammenspiel von Technik, Medialität und Bildung in den Fokus nimmt und für den (de)regulierenden, (de)reglementierenden und (verun)sichernden Einsatz von Technik in Lehr-Lernsettings sensibilisiert
  3. Über körperliche Präsenz manifestiert, ist der Körper im Raum ein wichtiges Phänomen der Erwach-senenbildung, das mit dem Themenschwerpunkt (c) Körper, Kommunikation und räumliches Inszenieren aufgenommen wird. Auch im digitalen Lernraum lässt sich die körperliche Materialität nicht aufheben, sondern bleibt als Situiertheit des Körpers im Handeln, in sozialen Interaktionen, pädagogischen Platzierungen und gesellschaftlichen Verhältnissen relevant. Dieser Themenschwerpunkt fragt nach dem Verhältnis zwischen analogen Körpern und Raum sowie körperlich-räumlichen Inszenierungen in pädagogischen wie lebensweltlichen Kontexten des Lernens.
  4. Angesichts der zunehmenden gesellschaftlichen Spannungen und der damit einhergehenden Gefährdung des sozialen Zusammenhalts hat auch die Frage der Vergemeinschaftung wieder an Bedeutung gewonnen, was im Themenschwerpunkt (d) Bildung in Gemeinschaft – Gemeinschaftsbildung aufgriffen wird. Hier kommt das Konzept des ‘dritten Ortes’ (wieder) in die Diskussion und nimmt dabei sowohl vorgängige Diskussionen in der Erwachsenenbildung wie auch sozialpädagogische Fragen der Vergemeinschaftung auf. Wie steht es um den vergemeinschaftenden Wert von Orten und Räumen, die im weitesten Sinne der Erwachsenenbildung zugerechnet werden können? Wie kann der bildende Moment einer solchen Vergemeinschaftung bestimmt werden? Welche Bedeutung kommt den ‘dritten Orten’ zu?
  5. Schließlich werden regionale Aspekte von Erwachsenenbildung wieder stärker diskutiert, was im Themenschwerpunkt (e) Regionale Dynamiken in der Erwachsenenbildung aufgenommen wird. Zum einen geschieht dies unter dem Fokus von Re-Territorialisierungsprozessen. Diese wurden sowohl auf Kreis- als auch auf Länderebene in der Covid-19-Pandemie deutlich und werden auch aktuell im größeren politischen Kontext erkennbar im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Solche Re-Territorialisierungsprozesse haben Konsequenzen für die jeweilige Praxis der Erwachsenenbildung vor Ort. Zum anderen wird im Zuge der Digitalisierung Dynamiken zwischen Zentrum und Peripherie neue Relevanz in Wissenschaft, Politik und Praxis der Erwachsenenbildung zugesprochen. Eine sozialräumliche Perspektive fängt diese Phänomene ein und fragt zugleich nach dem Umgang mit und der Gestaltbarkeit der sozialen Dynamiken vor Ort. Wie Erwachsenenbildung mit ihren professionellen Handlungsstrategien sich verändernde Zentrums-Peripherie-Konstellationen einerseits und Re-Territorialisierungstendenzen andererseits bearbeitet, ist zentral in diesem Themenschwerpunkt.

Die Veranstaltungen der AG Erwachsenenbildung und Raum* verstehen sich traditionell als Möglichkeit der Diskussion und des offenen Austauschs über Fragenstellungen zu Raum in der Erwachsenenbildung. Daher werden alle Sessions mit entsprechender Diskussionszeit organisiert. Die AG Erwachsenenbildung und Raum begrüßt es ausdrücklich, wenn Personen aus dem gesamten Bereich der Erwachsenenbildung auf den Call for Papers Beiträge einreichen.

Im Rahmen der Tagung wird Prof. Dr. Julia Lossau, Professorin für Stadtgeographie an der Universität Bremen, mit dem Vortrag "Spuren und Spurenlesen" zur Verschränkung von Räumlichkeit und Zeitlichkeit referieren.

Organisatorische Hinweise

Einreichung von Beiträgen: Bitte reichen Sie Ihr Abstract bis zum 12. Dezember 2022 ein. Die Einreichung erfolgt per E-Mail an sekretariat_bwb@ife.uzh.ch. Die Abstracts umfassen ca. 1 Seite (max. 3 500 Zeichen all inclusive) im pdf-Format, ca. 3-5 zentrale Literaturangaben sowie eine Zuordnung zu einem der Themenschwerpunkte. Es können sowohl theoretische als auch empirische Beiträge eingereicht werden, auch Beiträge mit Praxisbezug sind willkommen. Für Vorträge stehen je 20 Minuten zur Verfügung.
Rückmeldung zu eingereichten Abstracts: Eine Information zu Annahme/Ablehnung erfolgt bis 31.01.2023.

Wir freuen uns auf Ihre und Eure Einreichungen!
Christian Bernhard-Skala, Malte Ebner von Eschenbach, Bernd Käpplinger, Katrin Kraus, Richard Stang und Silke Schreiber-Barsch

* Die AG Erwachsenenbildung und Raum hat sich 2012 innerhalb der Sektion Erwachsenenbildung gegründet, um (raum)theoretische Diskussionen und eine Auseinandersetzung mit empirischen Zugängen zum Phänomen Raum in seinen verschiedenen Facetten innerhalb der Erwachsenenbildung zu führen. Bisher hat sie dazu insgesamt 10 Veranstaltungen in unterschiedlichen Formaten organisiert.