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Frankreich

„Universités Populaires“

In Frankreich erlangte unter Napoleon III. das Fortbildungsschulwesen einen großen Aufschwung. Ziel war die Beseitigung des Analphabetismus. Bereits 1860 hielt die Association Polytechnique in Paris öffentliche Vorträge ab, die einen gewaltigen Zuspruch aus der Arbeiterschaft erfuhren.

Das moderne französische Volkshochschulwesen setzte in der zweiten Hälfte der 90er Jahre des 19. Jahrhunderts ein. Sein Erstarken erfolgte im engsten Zusammenhang mit dem Aufschwung der seit der Niederschlagung der Kommune jahrzehntelang danieder gelegen habenden Arbeiterbewegung. Die nun entstehenden Volkshochschulen wurden als Volksuniversitäten („Universités Populaires“) bezeichnet. Die älteste, größte und bedeutendste war die „Université Populaire du Faubourg St. Antoine“, die 1898 gegründet und durch großzügige private Spenden erhalten wurde. An ihr trugen die führenden Naturwissenschafter und Philosophen der Nation vor. Oberstes Ziel war die Vermittlung einer größtmöglichen Pluralität und Bandbreite von Wissen und Methoden.

Die Universités Populaires führten auch Fortbildungskurse für die Arbeiterschaft durch. Die Anleitung zum selbstständigen Denken verquickte sich mit der Vermittlung geistiger und künstlerischer Genüsse. Die Vorträge und Kurse waren Dienst am Volk, die vortragenden Gelehrten „intellectuels de service“. So fanden die Universités Populaires Aufnahme und Einbindung in die Welt der „hommes de Lettre“ aber auch der Kunst- und Geisteswelt Frankreichs.

Im Gefolge der Affäre Dreyfuß (1897-1899) – welche die Nation in zwei Lager spaltete – kam es innerhalb der französischen Linken zu einem verstärkten Engagement für die Universités Populaires. Der durch die Affäre offensichtlich gewordene Antisemitismus politisierte die Universitätsprofessorenschaft, die sich nun zunehmend auf das Forum der Öffentlichkeit wagte. Die Universités Populaires in Paris und in den anderen großen Städten, wie Montpellier, Toulouse, Nîmes oder Lyon waren dafür ein idealer Boden, der nicht gleich die Gefahr heraufbeschwor, der Parteilichkeit verdächtigt zu werden. Hier konnten intellektuelle und weltanschauliche Streitgespräche unter einem neutralen Vorsitz öffentlich ausgetragen werden. Frankreichs vornehmste Wissenschafter und zeitgenössische Schriftsteller stellten sich in den Dienst des Volkshochschulwesens, um so mit dem Volk in Verbindung zu treten und zeitgenössisches, auf der Höhe der Zeit befindliches Wissen und Kunst einer interessierten Öffentlichkeit zu vermitteln.