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Verband Niederösterreichischer Volkshochschulen

Frühe Anfänge der Volksbildung in Niederösterreich

Die Volkshochschule als größte Einrichtung der Erwachsenenbildung in Österreich hat ihren Anfang vor mehr als 130 Jahren in Niederösterreich genommen. Am 7. April 1885 gründete der Lehrer Hans Hütter den „Allgemeinen Niederösterreichischen Volksbildungsverein“ in Krems an der Donau, der bis zu seiner gewaltsamen Auflösung im Jahr 1939 tätig war. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren beinahe alle volksbildnerischen Einrichtungen zerstört. Erste Versuche der Wiederbelebung des Volksbildungswesens gingen von den Städten und Ortschaften aus, die sich um einen raschen Aufbau kommunaler Bildungseinrichtungen für Erwachsene bemühten. Volkshochschulen entstanden etwa in Payerbach, Wiener Neustadt, Krems und Gmünd, und waren zunächst dezentral organisiert.

Gründungsphase in den 1950er Jahren

Die ersten Zentralisierungsversuche schlugen sich in zwei Vorläuferverbänden nieder, die jeweils den beiden Großparteien SPÖ und ÖVP nahestanden – ein Verband stand unter der Leitung des SPÖ-Nationalratsabgeordneten Max Neugebauer, der andere wurde unter dem Vorsitz des ÖVP-Landtagsabgeordneten Franz Stangler geführt. Allerdings war die parteipolitisch motivierte Doppelstruktur nicht von langer Dauer. Wesentliche Impulse zur Vereinigung gingen vom damaligen Unterrichtsministerium aus, das den Standpunkt vertrat, dass in jedem Bundesland nur ein Dachverband subventioniert werden könne. Auch der bereits 1950 gegründete Verband Österreichischer Volkshochschulen (VÖV) befürwortete einen Zusammenschluss. Nach langen Einigungsverhandlungen wurden die beiden niederösterreichischen Volkshochschulverbände am 11. Mai 1957 zusammengelegt und damit der Verband Niederösterreichischer Volkshochschulen gegründet.

Der Einigungsprozess trat eine regelrechte Welle an Gründungen von Volkshochschulen in kleineren und mittleren Städten los, da beide Parteien versuchten, „ihre“ Bürgermeister zu weiteren Gründungen zu motivieren. Damit wurde eine Ausdehnung des jeweiligen Einflussbereichs angestrebt. Aus diesem Grund verfügte Niederösterreich bald über die größte Dichte an Volkshochschulen in ganz Österreich.

Expansion in den 1960er und 1970er Jahren

In den ersten zehn Jahren seines Bestehens zählte der Verband NÖ Volkshochschulen seine meisten Beitritte. Allein im Jahr 1959 erfolgten die Gründungen der Volkshochschulen in Ebenfurth, Gänserndorf, Gloggnitz, Hainfeld, Schwechat und Wilhelmsburg. Gehörten dem Verband zum Zeitpunkt seiner Gründung noch 36 lokale Volkshochschulen an, erhöhte sich diese Zahl bis 1966 auf 59 und bis 1977 auf 66. Dennoch sollte die Erweiterung erst mit der letzten großen Mitgliederaufnahme im Jahr 2003 ihren vorläufigen Abschluss finden: Damals traten die Volkshochschulen Neulengbach, Pottendorf, Südliches Waldviertel, Strasshof an der Nordbahn und Wieselburg dem Landesverband bei.

Die örtliche Expansion spiegelte sich auch in den BesucherInnenzahlen wider. Im Gründungsjahr 1957 wurden an den 38 Volkshochschulen über 400 Kurse mit rund 9.000 TeilnehmerInnen ausgewiesen. 1963 hatte sich die Teilnahme bereits mehr als verdoppelt – in den 53 Volkshochschulen wurden 971 Kurse angeboten, die von ca. 20.000 Personen besucht wurden. Auch das Vermittlungsformat änderte sich bald: In den Anfangsjahren wurden vor allem Einzelveranstaltungen und Vorträge abgehalten, in den 1960er Jahren setzte man zunehmend auf Vortragsreihen, Kurse und Blockseminare, aber auch auf den Besuch von Ausstellungen und die Veranstaltung von Exkursionen und Bildungsreisen.

Als niederösterreichische „Erfindung“ galten die „Landesausstellungen“, eine Tradition, die bis in die 1950er Jahre zurückreicht. Zunächst erfüllten historische und kunsthistorische Ausstellungen die Aufgabe der Herausbildung und Festigung eines identitätspolitischen Landes- und Staatsbewusstseins. Später dienten sie vor allem tourismusaktivierenden Zwecken. Dadurch wurden auch Investitionen in die lokale Infrastruktur angestoßen.

Professionalisierung in den 1990er Jahren

Die anfängliche flächenmäßige Ausdehnung und Zersplitterung in der Peripherie führte zu einem Mangel an KursleiterInnen und MitarbeiterInnen, zumal die Tätigkeit in der Regel nicht hauptamtlich geleistet wurde. Noch in den 1980er Jahren waren die meisten in Leitung, Organisation und Administration tätigen ErwachsenenbildnerInnen ehrenamtlich tätig. Die Bildungsarbeit und -planung entwickelte sich damit aus den praktischen Erfahrungen der ungelernten MitarbeiterInnen und beruhte zunächst auf einem hohen Grad an Improvisation.
Erst Mitte der 1990er Jahre gelang mit einem Ausbildungsprogramm und der hauptamtlichen Anstellung von VolkshochschulleiterInnen eine Professionalisierung der Volkshochschulen. Die professionellere Arbeit schlug sich innerhalb kürzester Zeit in einem breiteren Bildungs- und Freizeitprogramm nieder. Allerdings kehrte sich dieser Trend in den 2000er Jahren wieder um. Damals kam es zu einer beachtlichen Verdrängung der nebenberuflich tätigen VolkshochschulleiterInnen zugunsten einer ehrenamtlichen Leitung.

Finanzielle und organisatorische Problemlagen

In den 1990er Jahren wurde das Budget des Bundesministeriums für die Erwachsenenbildung stark gekürzt. Eine Streichung des Bildungsangebots der niederösterreichischen Volkshochschulen konnte in dieser angespannten finanziellen Situation nur knapp verhindert werden. Mit einem auf fünf Jahre vereinbarten Fördervertrag mit dem Land Niederösterreich konnte die finanzielle Basis im Jahr 2004 wieder abgesichert werden.

In den 2000er Jahren kam es zu sinkenden Teilnahmezahlen und Kurseinbrüchen. Die geringe Veranstaltungs- und Kursaktivität einiger kleinerer Volkshochschulen gefährdete deren Fortbestand. Diese schwierige Lage wurde auf die Konkurrenz durch lokale Vereinstätigkeiten und Bildungsanbieter, auf die von Ehrenamt und Freiwilligkeit geprägte Arbeitssituation und auf eine zu geringe Marketingaktivität zurückgeführt.

Neben der verstärkten Beschäftigung mit den „Volkshochschulsorgenkindern“ lancierte der Landesverband eine Image- und Marketingoffensive, um eine Steigerung der Teilnahmezahlen und ein besseres Erscheinungsbild der niederösterreichischen Volkshochschulen in der Öffentlichkeit zu bewirken. Dadurch konnten die Kurse und Teilnahmen im Kursjahr 2005/06 zumindest um fünf Prozent gesteigert werden.

Aufgaben des Verbandes NÖ Volkshochschulen

Der Verband NÖ Volkshochschulen ist ein freiwilliger und gemeinnütziger Verein, in dem derzeit 69 autonome Mitgliedsvolkshochschulen des Landes Niederösterreich zusammengeschlossen sind. Laut Statuten bezweckt der Verband die Interessenvertretung seiner Mitglieder, indem er deren Tätigkeiten koordiniert, den Erfahrungsaustausch vermittelt, finanzielle Zuwendungen beschafft und die gemeinsamen ideellen und materiellen Interessen der niederösterreichischen Volkshochschulen nach außen vertritt. Die Landesgeschäftsstelle des Verbandes ist sowohl Beratungs- und Servicestelle als auch Lerninstitut für die interne Weiterbildung der VHS-LeiterInnen und VHS-MitarbeiterInnen.

Eine wesentliche Aufgabe des Verbandes war auch von Anbeginn die Tagungs- und Veranstaltungstätigkeit. Dazu zählten etwa die von Viktor Wallner abgehaltenen Seminare für ErwachsenenbildnerInnen im „Haus Rief“ – dem Bildungsheim des Verbandes – oder Kurse zur Zeitgeschichte und Politischen Bildung, die in den 1960er und 70er Jahren noch heftige Kontroversen auslösen konnten.

Ein Kontinuum stellen die sogenannten Herbsttagungen dar, die seit dem Gründungsjahr 1957 jährlich abgehalten werden. An ihnen lässt sich auch die Entwicklung der pädagogischen Schwerpunktsetzung nachvollziehen: Wurden in den Anfangsjahren noch theoretische und organisatorische Probleme behandelt, lag der Schwerpunkt in den 1960er Jahren bei Themen der Kulturarbeit, Ausstellungspädagogik und Zeitgeschichte, in den 1970er Jahren bei Themen der Entwicklungsplanung, Kooperation in der Erwachsenenbildung und der Politischen Bildung. In den 1980er Jahren wurden die Themenbereiche noch um den Umweltschutz und die Gesundheitsbildung ergänzt. In den 1990er Jahren standen die Probleme der Ostöffnung, der EU-Mitgliedschaft Österreichs oder der Globalisierung im Zentrum der Tagungen. In den letzten Jahren wurden etwa die Themen Künstliche Intelligenz, Fake News, E-Learning und Qualitätsmanagement behandelt.

Weiterführende Literatur:

Karl Gutkas, Zur Gründung des Verbandes Niederösterreichischer Volkshochschulen – Ein Mann der ersten Stunde erinnert sich. In: 40 Jahre Verband Niederösterreichischer Volkshochschulen, Wien 1997, S. 15–17.

Verband NÖ VHS (Hrsg.), 50 Jahre Verband Niederösterreichischer Volkshochschulen. 1957–2007, St. Pölten 2007, 159 S.

Hubertendorf_Hofseite Blick auf das Bäuerliche Volksbildungsheim Hubertendorf, Nähe Amstetten
Fellnerhof in Krems Hauptkursstätte der Volkshochschule Krems im „Fellnerhof“ in der Oberen Landstraße 10 © Verband Niederösterreichischer Volkshochschulen
VHS Perchtoldsdorf_Berufsbegleitender Kurs Berufsbegleitender Kurs an der VHS Perchtoldsdorf in den 1950er Jahren © Verband Niederösterreichischer Volkshochschulen