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Nationalsozialismus

Bereits lange vor dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich war die durch den Austrofaschismus instrumentalisierte und ihres demokratischen Kerns enthöhlte Volksbildung nationalsozialistisch unterwandert. Der Austrofaschismus ebnete ideell und mental den Weg in den Nationalsozialismus. Nach dem Juliabkommen 1936 drehte sich der Wind endgültig zu Gunsten der Nationalsozialisten. Diese verstanden es, die Integrität des Bundesstaates Österreich Stück für Stück zu unterhöhlen, bis er schließlich als reife Frucht am 13. März 1938 den einmarschierenden reichsdeutschen und österreichischen Nationalsozialisten in die Hände fiel.

Großdeutsche Volksbildung

Die sich nun schnell festigende nationalsozialistische Diktatur pervertierte die Ideen und Leitlinien einer freien, demokratischen, parteipolitisch neutralen und emanzipatorischen Volksbildungsbewegung.

Aufgabe der NS-Volksbildung war die Erziehung zur nationalsozialistischen Weltanschauung und Wehrertüchtigung – mit sich zunehmend verschlechterndem Kriegsverlauf auch die Verbreitung von Durchhalte- und Endsiegparolen.

Volksbildung wurde gänzlich in den Dienst der nationalsozialistischen Propaganda gestellt: Ziel war die Vermittlung der völkischen, sozialdarwinistischen und rassistischen Axiome sowie die Stabilisierung des NS-Regimes durch die Bindung der „Volksgemeinschaft“ an Heimat und Führer. Ziel war, „dass der Mensch beim Verlassen der Volksbildungsstätte nicht ein halber Pazifist oder Demokrat ist, sondern ein ganzer Deutscher“.

Gleichschaltung

Der in der Volksbildung traditionell vorhandene Pluralismus in der Trägerschaft und den Zielen wurde rasch eliminiert. Die verschiedenen Volksbildungsvereine, die katholischen Bildungsorganisationen und der bereits die Vereinheitlichung vorbereitende Vaterländische-Front-Verband „Neues Leben“ wurden aufgelöst.

Die Bundesstaatlichen Volksbildungsreferate in den Bundesländern wurden im Laufe des Jahres 1938 ersatzlos gestrichen, das Unterrichtsministerium als Unterabteilung in das neu errichtete Ministerium für innere und kulturelle Angelegenheiten eingegliedert. Durch das „Ostmarkgesetz“ wurde auch dieses aufgelöst, seine Aufgaben dem Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung in Berlin beziehungsweise den einzelnen Reichsgauen übertragen.

Vertriebene Volksbildung

Führende ExponentInnen der Volksbildung wurden durch Beurlaubung, Zwangspensionierung, Entlassung, aber auch durch Deportation und Ermordung in den Konzentrationslagern ausgeschaltet. Bereits innerhalb weniger Wochen nach dem Anschluss waren alle wichtigen Positionen im Volksbildungswesen durch nationalsozialistisch gesinnte Personen ersetzt. Juden – beziehungsweise von den NS-Rassengesetzen als solche definierte – wurden aus der Volksbildung entfernt, die Teilnahme am Kurs- und Vortragsprogramm war ihnen untersagt.

Die Loyalität mit dem Regime und die Ausschaltung jeglicher Opposition bewirkte die Emigration vieler Funktionäre, Vortragender und HöhrerInnen. Die Vertreibung und Vernichtung der Vernunft betraf die Volkshochschulen in einem außerordentlich hohen Maß. Der Exodus der literarischen, künstlerischen und wissenschaftlichen Intelligenz Österreichs hinterließ auf dem Gebiet des bildungs- und geisteskulturellen Klimas im nach 1945 wiedererstandenen demokratischen Österreich nicht mehr zu schließende Lücken.

„Kraft durch Freude“

Die großdeutschen Volksbildungsstätten wurden, wie andere Kultur- und Sportinstitutionen auch, in die „Deutsche Arbeitsfront“ (DAF) eingegliedert, die Teil der NS-Freizeitorganisation „Kraft durch Freude“ (KdF) war. Die Volksbildungsagenden übernahm innerhalb der DAF das „Deutsche Volksbildungswerk“, das seine Zentrale in Berlin hatte und dessen Wirkungskreis sich auf das ganze Reich erstreckte.

Vor Ort agierte der jeweilige Orts- oder Betriebs-Volksbildungswart. Die Auswahl der KursleiterInnen erfolgte nach politischen Kriterien und der richtigen „Rassenzugehörigkeit“. An den Veranstaltungen durften nur „deutsche Volksgenossen“ teilnehmen.

Vom „Deutschen Volksbildungswerk (DAF)“ wurden für die Volksbildungsarbeit in den Gauen Arbeitsanweisungen zur inhaltlichen Ausrichtung der Bildungsarbeit festgelegt. Hauptthemen waren „Geschichte und Politik“, „Wehrhaftes Volk“, „Gesundes Volk“, „Volk an der Arbeit“, „Deutsches Kultur- und Geistesleben“, „Volkstum und Heimat“, „Blick in die Welt“, „Blick in die Natur“ und „Ein Volk erobert die Freude“.

Die ideologische Erfassung der „deutschen Volksgenossen“ in den gleichgeschalteten Volksbildungseinrichtungen war aber nur ein Aspekt nationalsozialistischer Volksbildungspolitik. Auch in den Betrieben wurden Vorträge und künstlerische Darbietungen abgehalten. Die gleichgeschalteten Bibliotheken und Volksbüchereien offerierten ideologisch sorgfältig gefilterten Lesestoff, wofür die Reichsstelle für das Volksbüchereiwesen zu sorgen hatte.

Volksbildung als Volkspropaganda

Wie weit diese propagandistische „Volksbildung“ und planmäßige ideologische Indoktrination bei den Erwachsenen tatsächlich gefruchtet hat, ist schwer zu beurteilen. Jedenfalls reihte sich die Gleichschaltung der Volksbildung nahtlos in die nationalsozialistische Ausrichtung von Schule, Universität, Ausbildungs- und Arbeitsplatz, Freizeitorganisation oder politischer Monopolorganisation ein.

Die Systemloyalität vieler „Ostmärker“ schien jedenfalls bis in die letzten Kriegstage überaus hoch gewesen zu sein. Erst die dem „totalen Krieg“ folgende totale militärische und machtpolitische Niederlage des Großdeutschen Reichs bewirkte einen weitgehenden Abfall von den nationalsozialistischen Glaubenslehren. Zurück blieben neben den immensen materiellen Zerstörungen die moralischen, geistigen und seelischen Verwüstungen.

Urania_Hitler An der Volksbildungsstätte Urania wird das „Ja“ zum Anschluss Österreichs an das Großdeutsche Reich propagiert. © Österreichisches Volkshochschularchiv
Wiener_Volksbildungsverein_Nationalsozialismus Das mit nationalsozialistischen Emblemen geschmückte Gebäude des Wiener Volksbildungsvereins in der Stöbergasse © Österreichisches Volkshochschularchiv
Urania_zerstoert Die Trümmer der Wiener Urania nach einem alliierten Bombenangriff 1945 © Österreichisches Volkshochschularchiv