Umweltberatung Wien
Die AusgangslageDer umweltpolitische Handlungsbedarf stieg in der Nachkriegszeit mit der zunehmenden Verschmutzung von Boden, Gewässern und Luft. In den 1970er und 80er Jahren kommt es zu einem Aufbruch im Umweltschutz. Nach den Protesten gegen das AKW Zwentendorf fanden nun Demonstrationen gegen ein geplantes Wasserkraftwerk in den Donauauen statt. Die Katastrophe von Tschernobyl führte schließlich zu einer noch größeren Umweltsensibilisierung. Vor diesem Hintergrund war der Bedarf nach einer Umweltberatungsstelle aus umwelt- und gesellschaftspolitischen Gründen gegeben.
Gründungsphase und organisatorische EntwicklungDie ersten zwei regionalen Umweltberatungsstellen wurden 1986 im niederösterreichischen Wald- und Mostviertel von 16 engagierten UmweltberaterInnen errichtet. Seither wurden insgesamt 14 Regionalstellen in ganz Österreich eingerichtet, wovon 1988 vier Umweltberatungsstellen an den Volkshochschulen Favoriten, Floridsdorf, Hietzing und Penzing in Wien eröffnet wurden. Diese vier Stellen in Wien schlossen sich freiwillig zu einer Landeskoordination „Umweltberatung Wien“ zusammen, die sich aus jeweils einer Vertretungsperson der einzelnen Stellen zusammensetzte. Daneben entstanden Fachgruppen (etwa die Fachgruppe Reinigung), die in Wien aber auch bundesländerübergreifend die thematische Weiterentwicklung vorantrieben. Um eine bundesweite Koordination zwischen den Beratungsstellen zu ermöglichen, wurde 1989 der Verein Umweltberatung Österreich (UBÖ) gegründet.
Auf Stadtebene wurde der
Verband Wiener Volksbildung Träger der Beratungsstellen in Wien. Diese Entscheidung folgte zwei Überlegungen: Einerseits sollte der Trägerverein eine möglichst autonome Arbeit der Umweltberatung garantieren, andererseits wurde die Umweltberatung als Element der Erwachsenenbildung verstanden. Das Beratungs- und Bildungsangebot im ökologischen Bereich sollte die Tätigkeit der Volkshochschulen ergänzen.
Außerdem wurden die Beratungsstellen als Vermittlungsinstanz zwischen Wissenschaft, Gesetzgebung und der Bevölkerung betrachtet. Dieser Anspruch war auch für eine Kooperation mit dem 1991 gegründeten Wissenschaftsladen Wien ausschlaggebend, einem Forschungsinstitut, das insbesondere den wechselseitigen Austausch von Wissenschaft und Praxis vorantreibt.
Umstrukturierung und UmzugDie Umweltberatung war ursprünglich regional organisiert – in jeder Beratungsstelle wurden alle Arbeitsschwerpunkte abgedeckt. Da eine flächendeckende Ausbreitung der Umweltberatung nicht zielführend und kostspielig war, ging man bald vom Regionalprinzip ab und entschied sich für eine Strukturanpassung. Die vier Beratungsstellen in Wien wurden zu Schwerpunktberatungsstellen umfunktioniert, wobei der fachübergreifende Austausch weiterhin forciert wurde. Es gab 4 Schwerpunktbüros für Bauen, Wohnen und Energie, Ernährung und Konsum, Abfall sowie Grünraum und Garten. Einzelthemen wie Umweltbildung, Chemie, Kind und Umwelt waren diesen Büros angegliedert. 1996 wurde außerdem eine zentrale telefonische Erstberatungsstelle eingerichtet, die auch für den Versand von Infomaterialien zuständig ist. Diese Struktur wurde bis heute aufrecht erhalten.
2008 übersiedelten die regionalen Büros schließlich an einen gemeinsamen Standort im 10. Wiener Gemeindebezirk. Hauptgrund für die Zusammenlegung war die Kosteneinsparung, die vor dem Hintergrund der jahrelang stagnierenden Subvention notwendig geworden war. Außerdem erschwerten die langen Wege zwischen den Büros die Arbeitsabläufe. Die Zusammenfassung in einem Haus steigerte die Effizienz, erleichterte das fachübergreifende Arbeiten und die rasche Beantwortung der Kundenanfragen.
Entwicklung des BeratungsangebotsDie Beratung für Privathaushalte bildete in den Anfangsjahren das wichtigste Tätigkeitsfeld der Umweltberatung Wien. Heute sind Betriebe eine weitere, auch finanziell wichtige Zielgruppe. Das Beratungsangebot richtet sich aber auch an Organisationen, Bildungs- und Verwaltungseinrichtungen sowie VeranstalterInnen. Heute beschäftigt die Umweltberatung Wien fast nur mehr fachökologisch ausgebildete SpezialistInnen. Die Professionalisierung drückte sich aber auch in der Erweiterung und Vertiefung des Beratungsangebots aus.
Anfänglich erstreckte sich die Beratungsleistung auf die Schwerpunktthemen ökologische Reinigung, gesunde Ernährung, Abfallvermeidung, Energiesparen und ökologisches Bauen und Wohnen. Im Laufe der Jahre kamen zwei weitere Bereiche hinzu. Seit 2000 berät die Umweltberatung zum naturnahen Gärtnern, 2006 begann die Arbeit zum Thema Ökotextilien. Da die Klimafrage auch eine soziale Frage ist, richtet sich das Beratungsangebot, etwa zum Thema Energiesparen im Haushalt, seit 2011 auch verstärkt an armutsgefährdete Menschen.
Neuere Schwerpunkte: Bildungs- und ProjektarbeitNeben der Beratungstätigkeit wurde die Umweltberatung Wien bald auch in anderen Bereichen tätig. Dazu zählen etwa die Abwicklung von ökologischen Projekten – seit 1999 koordiniert die Umweltberatung Wien etwa das „Reparaturnetzwerk“ – und die Organisation von Ausstellungen und Großveranstaltungen, etwa anlässlich des Welt-Umwelttages. Darüber hinaus ist die Umweltberatung Wien in die Erarbeitung von Klimaschutzkonzepten für die Stadt Wien eingebunden. Auch die Gremienarbeit wurde zunehmend wichtiger, etwa die Mitarbeit in Umweltzeichen-Ausschüssen, die Testierung von Produkten für die öffentliche Beschaffung (z.B. Öko-Rein Datenbank) oder die Erarbeitung von Ausbildungsstandards.
Heute organisiert die Umweltberatung Wien auch Reparaturcafés und Upcycling-Veranstaltungen, gibt Broschüren, Folder und Unterrichtsmaterialien heraus und bietet Ausbildungen, Workshops und Vorträge an. Im energie-Führerschein-Seminar werden etwa Maßnahmen zum Energiesparen im Alltag vermittelt, die EnergieberaterInnen-Ausbildung befähigt die TeilnehmerInnen zur Beratung im Bereich klimaschonendes und energieeffizientes Bauen und Sanieren.
Die Corona-Pandemie brachte schließlich nicht nur einen Digitalisierungsschub, sondern auch ein angepasstes Beratungsangebot mit sich – etwa praktische Anleitungen für die typischen Lockdown-Beschäftigungen wie Garteln, Kochen, ressourcenschonende Hausarbeit oder das Nähen von Stoffmasken. Die kostenlosen Beratungsangebote werden gut angenommen: Im Jahr 2020 informierten sich 12.598 Personen per Telefon oder Mail zu ökologischem Handeln und Klimaschutz.
Weiterführende Literatur:
Margit Leuthold/Rolf Schwendter (Hrsg.), Veränderte Zeiten. Umweltberatung in Österreich, Wien: Verband Wiener Volksbildung 1996, 448 S.
Marion Lukschanderl, Umweltberatungsorganisationen als Dienstleistungen. Organisation, Struktur und Standortfrage der Umweltberatung unter besonderer Berücksichtigung der Umweltberatung Österreich, Dipl.-Arb., Wirtschaftsuniversität Wien 1996, 141 S.
[ WEITER ]
[ ZURÜCK ]