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Austrofaschismus

Seit Beginn der 30er Jahre engte das Finanzministerium den budgetären Spielraum des Unterrichtsministeriums kontinuierlich ein und zwang zur Reduktion und Vereinfachung des Bildungswesens. Ziel war die Verringerung des intellektuellen Proletariats und in der Mädchenbildung die Vorbereitung von Ehe und Mutterschaft.

Das Rad der Zeit vor 1789 zurückdrehen

Dem austrofaschistischen Regime waren die Werte der Aufklärung und der Französischen Revolution suspekt. Es wollte die gesellschaftspolitischen Zustände vor 1789 wiederherstellen. So hob die reaktionäre Regierung im Rahmen ihrer Maßnahmen zur Rekatholisierung der Schulen unter anderem den Glöckel-Erlass auf.

Insbesondere nach der Niederschlagung des sozialdemokratischen Aufstands gegen die sukzessive Abschaffung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit vom 12. Februar 1934 intensivierte das „christliche“, „ständische“ und „vaterländische“ Regime seine Maßnahmen im kultur- und bildungspolitischen Bereich. Ziel war die regimekonforme Umwandlung und Dienstbarmachung ihrer Einrichtungen.

Volksbildung als ideologisches Instrument des Ständestaats

Aus diesem Grund verankerte die autoritäre Regierung die Volksbildung in der neuen Verfassung von 1934 und verlieh ihr dadurch einen scheinbar neuen Stellenwert. Innerhalb der Organisationen der Volksbildung kam es jedoch in Folge des Verbots der NSDAP und der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei zu Säuberungsaktionen, welche die Entlassung unliebsamer Funktionäre der Volksbildung und die Einschüchterung der Verbliebenen zur Folge hatte. Den Mitgliedern der Volksbildungsvereine wurde der Beitritt zur austrofaschistischen Einheitspartei, der „Vaterländischen Front“, ans Herz gelegt.

Für das ständestaatliche Regime war Volksbildung ein wichtiges Mittel zur propagandistischen Beeinflussung und zur Integration der Arbeiter- und Angestelltenschaft mit dem Ziel, diese von den Ideen des Marxismus und Klassenkampfes zu befreien.

Inseln der Demokratie im autokratischen Meer

Im ehemals „Roten Wien“ griff die nunmehr autoritäre Stadtverwaltung am stärksten durch. 1934 wurde Karl Lugmayer zum Volksbildungsreferenten der Stadt mit der Aufgabe bestellt, den verbliebenen sozialdemokratischen Einfluss zu beseitigen.

Für die zur politischen Untätigkeit verurteilten Wiener Sozialdemokraten wurden freilich die verbliebenen Bildungseinrichtungen zu Orten der Begegnung, der Kommunikation und zuweilen auch der Konspiration. Besonders die Volkshochschule Volksheim Ottakring wurde zu einem letzten demokratischen Sammelplatz auf dem erzwungenen Rückzug. Dort wirkte Viktor Matejka als geschäftsführender stellvertretender Obmann. Seine offen demokratische Gesinnung begründete seinen Ruf als Staatsfeind und führte im Juni 1936 zur Enthebung von seinem Amt.

Autoritäre Verstaatlichung der Volksbildung

Mit dem kurz darauf erlassenen „Stadtgesetz zur Regelung des Volksbildungswesens“ vom 12. August 1936 wurde der bisher wissenschaftszentrierten neutralen Volksbildung ein endgültiges Ende gesetzt.

Es wurde eine autoritäre Kontrolle der gesamten Programmgestaltung eingeführt. Für Kurse und Vorträge und für die mit deren Durchführung betrauten VolksbildnerInnen bedurfte es einer Genehmigung des Wiener Bürgermeisters. Politischer Nonkonformismus wurde nach Möglichkeit verboten. Die angestrebte Verstaatlichung der Volksbildung bedeutete eine weitgehende Liquidierung des früheren Freiraums der Volksbildungseinrichtungen. Ein geplantes „Bundesgesetz über die Regelung des Volksbildungswesens“ mit bedenklichen totalitären Reglementierungen konnte jedoch bis zum März 1938 im Bundestag nicht mehr verabschiedet werden.

„Neues Leben“

Nach dem Vorbild der italienischen faschistischen Bewegung schuf die Vaterländische Front eine Freizeitorganisation, „Neues Leben“, der mit 1. Juli 1936 auch die politische Verantwortung für die Volksbildung oblag. Das „Neue Leben“ sollte zur kulturellen Erneuerung Österreichs mittels Kunstpflege, Dichtung, bildender Kunst, Musik, Theater, Film, Radio und Vortragswesen sowie insgesamt zum Entstehen einer „österreichischen Volksgemeinschaft“ beitragen. Die Volkshochschulen sollten Zentren dieser weitgehend auf Indoktrination gerichteten Bildungsbemühungen sein. Um eine stärkere Breitenwirkung zu erlangen, sollten in den oberen Klassen der Mittelschulen, der höheren Gewerbe- und Fachschulen sowie in den neuen Lehrerakademien Pflichtkurse für volksbildnerische Ausbildung respektive ein Pflichtgegenstand „Volksbildung“ eingeführt werden. Die konkrete Umsetzung in die Schulwirklichkeit blieb aber – wie so vieles im Austrofaschismus – im Ansatz stecken.

Fühlen statt Denken

Im Kursprogramm der Volkshochschulen kam es insgesamt zu einer generellen Abkehr von der bisher angeblich überschätzen Wissenschaftlichkeit und einer individualistischen und liberalen Gesinnung. Statt Wissen sollte Erleben, statt aufklärerischerer Rationalität Heimatliebe, Religiosität, Vaterlands- und Regimetreue vermittelt werden. Der wahre Lebensinhalt hatte nun aus den Kräften des „Volkstums“ und der organisch verstandenen Gemeinschaft bezogen zu werden. Dadurch rückten die Pflege der Volksbräuche, die Familien- und Hausforschung sowie das Volkslied-, Volkstanz- und Laienspielwesen in den Vordergrund.

Als höchstes Ziel der Volksbildung galt es, die „Seele des Volkes“ aus den Bedrückungen und Gefährdungen der Moderne zu befreien und diese wieder „zum Klingen zu bringen“.

Austrofaschismus_Krukenkreuz Das Krukenkreuz – Symbol der „neuen Ordnung“ © Verein für Geschichte der Arbeiterbewegung
Schuschnigg vor Bundestag Rede von Bundeskanzler Kurt Schuschnigg vor dem Bundestag © Bildarchiv Österreichische Nationalbibliothek
Volkstanzfest_Rosenburg Zur Beförderung des Gemeinschaftsgefühls wurde im Austrofaschismus der Laientanz stark propagiert – hier auf der Rosenburg in Niederösterreich
Februar '34
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