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Ländlich-konfessionelle Volksbildung

In einer Gesellschaft, die überwiegend der Landbevölkerung und dem bäuerlich-agrarischen Sektor zuzuordnen war, lag das Hauptaugenmerk der Volksbildung nicht auf der Stadt, sondern auf dem Land. Ländliche Volksbildung hatte freilich mit geografisch-logistischen Problemen, mit häufig fehlenden materiellen und geistigen Ressourcen sowie mit einer gewissen „Bildungsresistenz“ der Landbevölkerung zu kämpfen. Dennoch fehlte es nicht an mannigfachen Initiativen.

„Bauernhochschule“

Ein interessantes Experiment von Volksbildung nach dem Vorbild der skandinavischen Heimvolkshochschulbewegung gab es bereits in der ausgehenden Habsburgermonarchie: die „Bauernhochschule“ von Georg Wieninger. Auf seinem Gut in Otterbach im oberösterreichischen Innviertel hielt dieser ab 1890 regelmäßig nach dem Sonntagsgottesdienst volkstümliche Vorträge aus den Gebieten der Landwirtschaft, Naturwissenschaft und Technik für die bäuerlichen Bevölkerungskreise. Später kamen ein Museumstrakt mit eigenem Hörsaal, eine Bibliothek und eine Abteilung für landwirtschaftliche Maschinen, Zoologie, Botanik, Mineralogie, Technologie und Anatomie sowie eine eigene landwirtschaftlich-chemische Versuchsstation hinzu. Noch vor dem Ersten Weltkrieg musste das Mustergut jedoch aus wirtschaftlichen Gründen verkauft werden. Es konnte aber vom Land Oberösterreich übernommen werden.

Büchereibewegung auf dem Land

Die traditionellen Volksbildungsvereine außerhalb von Wien brauchten nach 1918 zum Teil Jahre, um ihre während der Kriegszeit in Mitleidenschaft gezogene Tätigkeit wieder aufzunehmen. Oft fehlte es ihnen am alten Schwung und in Folge der tristen wirtschaftlichen Lage auch an einer ausreichenden finanziellen Absicherung. Nichtsdestotrotz wurde gerade auf dem Land dem Bibliotheks- und Volksbüchereiwesen ein besonderer Stellenwert beigemessen.

Christlichsoziale Volksbildung

Die ländlich-bäuerliche Bevölkerung war im überwiegenden Maße an den vom Katholizismus geprägten, konservativen Vorstellungen von Kirche und Familie orientiert. So verwundert es nicht, dass auch die christlichsoziale Volksbildung in Kirche und Familie die stärksten und einflussreichsten Bildungsfaktoren erblickte. Während der Erste Republik galt es daher, die politisch neutralen Volksbildungseinrichtungen so weit wie möglich mit dem katholischen Geist zu durchdringen, und auch das Bibliotheks- und Kinowesen im katholischen Sinne zu beeinflussen. Neben der geistigen Bildung sah die christlichsoziale Volksbildung ihr höchstes gesellschaftspolitisches Ziel in der Verhinderung einer drohenden Proletarisierung der bäuerlichen Bevölkerung.

Volksbildungsheim Sankt Martin

Bereits Ende 1918 gab es programmatische Beschlüsse zur Begründung von bäuerlichen Volksbildungshäusern nach skandinavischem Muster. Nach längerer Anlaufzeit konnte in der Steiermark in der Nähe von Graz (heute Graz-Straßgang) die erste Heimvolkshochschule in Österreich durch den Landesseelsorger Josef Steinberger gegründet werden. Hauptanliegen dabei war es, den jungen bäuerlichen Nachwuchs zur geistigen und praktischen Arbeit in bäuerlichen und hauswirtschaftlichen Fortbildungsschulen anzuleiten. Auf diese Weise hoffte man, rasch notwendiges Wissen und gewünschte Haltungen an die bäuerliche Jugend zu vermitteln. Diese als „System Steinberger“ bezeichnete Methodik wurde auch von anderen Bundesländern übernommen.

Gemäß den „Sankt Martiner Leitsätzen“ ging man in der Volksbildungsarbeit von den im Volke wirkenden „geistigen und seelischen Antrieben und Kräften“ aus. Durch Pflege des Volksbrauchtums, „Pflege der das Leben bejahenden Kräfte“ und der „Ehrfurcht vor dem Unerforschlichen“ sollte das bäuerlich-katholische Gemeinschaftsgefühl entfaltet und wieder gekräftigt werden. Nicht zuletzt sollten die beruflichen Qualifikationen der Landbevölkerung gehoben werden.

Staatliches Volksbildungsheim Hubertendorf

Inspiriert von „Sankt Martin“ verfolgte das Unterrichtsministerium den Plan, ein ähnliches Haus zu schaffen. 1929 wurde nach Überwindung vieler Schwierigkeiten in Hubertendorf bei Blindenmarkt in Niederösterreich das erste staatliche bäuerliche Volksbildungsheim eingerichtet. Direktor wurde der durch seine Tätigkeit weit über die Grenzen Österreichs bekannte Pfarrer Leopold Teufelsbauer.

Die Bildungsarbeit war auf bäuerliche Lebenskreise abgestimmt. Es wurden Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung der Bauernkultur, Ortsbildpflege und Wohnkultur erörtert. Die 1930 niedergelegten „Hubertendorfer Leitsätze“ wurden zur pädagogisch-ideologischen Grundlage für die Bildungsarbeit im ländlichen Raum. Hubertendorf wurde auf diese Weise zum Modell einer ländlich-bäuerlichen Lebens-, Gemeinschafts- und Charakterschule.

Bildungsheim Tainach

Als dritte Heimvolkshochschule Österreichs wurde 1932 das katholische Bildungsheim Tainach in Kärnten errichtet. Durch dieses erhielt die Volksbildungsarbeit im gemischt sprachigen Gebiet Kärntens wesentliche Impulse. Noch stärker als in den anderen beiden Bildungsheimen wurde hier religiös fundierte Bildung vermittelt. Diese sollte das Bauerntum vor den Gefährdungen der technisch-urbanen Zivilisation schützen, es zugleich aber auch aus einer fortschrittsfeindlichen Rückständigkeit herausführen.

Hubertendorf_außen Das bäuerliche Volksbildungsheim Hubertendorf bei Blindenmarkt in Niederösterreich
Hubertendorf_Hausstube Bäuerliche Volksbildung im staatlichen Volksbildungsheim Hubertendorf: Hausstube als Lernort und volkskundliche „Musterstube“
Hubertendorf_Teilnahme Teilnehmerinnen eines Kurses für junge Bäuerinnen in Hubertendorf