Bäuerliches Bildungshaus Schloss Krastowitz
VorgeschichteDas bäuerliche Fortbildungswesen in Kärnten hat eine bis ins 18. Jahrhundert zurück reichende Tradition. Im Jahr 1765 wurde die Landwirtschaftsgesellschaft gegründet, die sich unter anderem auch dem landwirtschaftlichen Bildungswesen widmete. Nachhaltige Verbesserungen des bäuerlichen Bildungswesens kamen in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts zustande. Im Jahr 1865 beschloss die Landwirtschaftliche Gesellschaft den Einsatz von Landwirten als Wanderlehrer, um die bäuerliche Bevölkerung in abgelegenen Landesteilen mit neuen Entwicklungen auf den Gebieten der Bodenbearbeitung und der Viehzucht bekannt zu machen. Im Jahr darauf wurde in Klagenfurt die Kärntner Ackerbauschule gegründet. Im Jahr 1883 erfolgte die Gründung der Haushaltungs- und Meiereischule in Pichlern-Marienhof.
Im Jahr 1895 ging man noch einen Schritt weiter. Der Kärntner Landtag beschloss die Einrichtung landwirtschaftlicher Fortbildungskurse in Verbindung mit den Volksschulen. Mit dieser Maßnahme sollte die ländliche Jugend mit zeitgemäßem landwirtschaftlichem Grundwissen vertraut gemacht werden. Als Weg zur Verbesserung der landwirtschaftlichen Ausbildung und auch zur Hebung des Ansehens des Bauernstandes schlug im Jahr 1910 Lorenz Washietl, Direktor der Ackerbauschule, eine dem Gewerbe gleichzustellende Ausbildung vor. Der Bauer als „Landwirtschaftsmeister“ sollte den gleichen sozialen Status haben wie ein Handwerksmeister.
Der Erste Weltkrieg und die ihm folgende Notzeit unterbrachen die bisherigen Bemühungen um die bäuerliche Fort- und Weiterbildung. Einen neuen Anfang auf neuen Grundlagen machte Franz Türk (1889-1960) mit der Gründung einer Heimvolkshochschule in Tanzenberg bei St. Veit an der Glan. Die dortigen bäuerlichen Volkshochschulkurse beruhten auf den Vorstellungen
Nikolaj Grundtvigs und dem Vorbild der Heimvolkshochschulen St. Martin bei Graz und Hubertendorf in Niederösterreich. Von 1923 bis 1933 besuchten bäuerliche Jugendliche die zwischen vier und 20 Wochen dauernden Kurse, deren Ziel es war, das Selbstbewusstsein der ländlichen Bevölkerung zu heben und sie zu befähigen, ihre Interessen im politischen Leben zu vertreten.
Gründung und AnfangsjahreNach dem Ende des Zweiten Weltkrieges dauerte es einige Jahre, ehe neue Anläufe zur Einrichtung bäuerlicher Volksbildungseinrichtungen genommen werden konnten. Einer der ersten war die Einführung bäuerlicher Bildungskurse am Bildungshof Pöckstein bei Treibach-Althofen durch Pater Laurenz Mock. Zwischen 1952 und 1962 besuchten rund 600 TeilnehmerInnen diese Veranstaltungen.
Die Kärntner Landwirtschaftskammer plante, in den Neubau ihres im Krieg zerstörten Amtsgebäudes auch ein Bildungszentrum einzubeziehen. Als der Bau im Jahr 1955 endlich fertig gestellt war, stellte sich heraus, dass das ganze Gebäude für Verwaltungsaufgaben genutzt werden musste. Die Landwirtschaftskammer hatte aber im Jahr 1956 die Gelegenheit, aus dem Erlös einer Erbschaft, die ihr der frühere Landesverweser und Landeshauptmann Arthur Lemisch (1865-1953) hinterlassen hatte, das Schloss Krastowitz zu erwerben.
Nach einigen Adaptierungen konnte am 25. November 1957 ein „Bäuerliches Bildungsheim“ mit einer einwöchigen Volkstumswoche der Landjugend in Schloss Krastowitz den Betrieb aufnehmen. Fortbildungskurse der Landjugend, Jungbauernkurse, Berufsschulkurse für Gärtnerlehrlinge, Waldbauernkurse und Kurse der Raiffeisenorganisation bestimmten in den folgenden Jahren das Programm. Zwischen 1957 und 1962 wurden 129 Veranstaltungen durchgeführt, die von fast 2500 TeilnehmerInnen besucht wurden.
Im November 1960 wurden die ersten nach dem Vorbild der deutschen Heimvolkshochschulen geführten Kurse abgehalten. Der Andrang war so stark, dass sich die Landwirtschaftskammer zu einem weiteren Ausbau von Schloss Krastowitz entschloss.
Die Bäuerliche VolkshochschuleAm 28. Jänner 1963 fasste die Vollversammlung der Kärntner Landwirtschaftskammer den Beschluss, das Bäuerliche Bildungsheim zur „Bäuerlichen Volkshochschule Dr. Arthur Lemisch“ umzugestalten.
Als Grundsätze, nach denen die Bildungsarbeit gestaltet werden sollte, wurden die Stärkung und Festigung des Gemeinschaftsgefühls durch gemeinsames Lernen und Erleben, die Erweiterung des geistigen Horizonts und die Persönlichkeitsbildung sowie die Ausrichtung auf eine christliche Lebensauffassung im Sinne von Toleranz und bäuerlicher Tradition genannt.
Das Bildungsangebot wandte sich in erster Linie an die Altersgruppe der 18- bis 30-Jährigen, aus der die Führungskräfte des bäuerlichen Berufsstandes herangebildet werden sollten. Zudem sollte die Bäuerliche Volkshochschule ein Ort der Begegnung mit Menschen aus anderen Berufsgruppen und aus verschiedenen Ländern werden und dadurch im Sinne sozial- und völkerübergreifenden Verständigung wirken.
Neben der programmatischen Neuausrichtung wurde auch die bauliche Ausgestaltung in Angriff genommen. Nach zweijähriger Bauzeit konnte im Jahr 1965 ein neues Kurs- und Internatsgebäude seiner Bestimmung übergeben werden.
Die Bäuerliche Volkshochschule führte nicht nur eigene Veranstaltungen durch, sondern sie beherbergte auch Schulungsmaßnahmen des Raiffeisenverbandes und der Gartenbauberufsschule. Die Internatsunterbringung ermöglichte die geblockte Durchführung des Berufsschulunterrichts für Jugendliche, denen vor allem im Winter schlechte Verkehrsverbindungen den regelmäßigen Berufsschulbesuch unmöglich gemacht hätten. Außerdem fanden an der Volkshochschule Weiterbildungsveranstaltungen für KammerfunktionärInnen und von der Kammer organisierte Erholungswochen für Bäuerinnen und Bauern statt.
NeuorientierungDer soziologische Wandel machte auch vor der Bäuerlichen Volkshochschule nicht Halt. Da immer mehr junge Menschen aus dem bäuerlichen Milieu in andere Berufsgruppen wechselten, mussten die mehrwöchigen Heimvolkshochschulkurse für angehende Jungbäuerinnen und Jungbauern mit dem Kursjahr 1992/93 aus Mangel an TeilnehmerInnen endgültig eingestellt werden.
Die Volkshochschulleitung hatte auf diese Veränderungen rechtzeitig reagiert. Mit Einführung der gesetzlichen Berufsausbildung wurden die landwirtschaftlichen Meisterkurse zu einem stetig wachsenden Programmsektor. Mit der auch in der Landwirtschaft zunehmenden Wichtigkeit von EDV-Kenntnissen eröffneten sich der Volkshochschule neue Betätigungsfelder.
Nichtsdestoweniger war absehbar, dass das bäuerliche Publikum früher oder später für einen ökonomisch geführten Bildungsbetrieb nicht mehr ausreichen würde. Aus diesen Erwägungen heraus wurde bereits im Jahr 1974 die Aufnahme in die Arbeitsgemeinschaft der Bildungshäuser Österreichs angestrebt. Dieser Schritt wirkte sich in zweifacher Weise günstig aus: Zum einen erfuhr die Bildungsarbeit der Volkshochschule aus der anders gelagerten Programmphilosophie der Bildungshäuser neue Impulse, zum anderen eröffneten sich den MitarbeiterInnen neue Weiterbildungsmöglichkeiten im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft.
Das Bäuerliche BildungshausDas Ende der bäuerlichen Heimvolkshochschulkurse und auch die gestiegenen Ansprüche an die Ausstattung der Kursräume und an den Wohnkomfort im Internatsbereich erzwangen entsprechende Maßnahmen. Nach umfangreichen Zu- und Umbauten wurde am 4. Dezember 1995 der neu gestaltete Komplex als „Bäuerliches Bildungshaus Schloss Krastowitz – Dr. Arthur Lemisch“ neu eröffnet.
In den folgenden Jahren entfaltete sich in den neuen Gebäuden ein breiter Fächer von Bildungsangeboten mit den Schwerpunkten Bäuerliche Unternehmensführung, Persönlichkeitsbildung, Kreatives Gestalten, Sprachen, Kunst und Kultur, EDV sowie Ökologie und Nachhaltigkeit. Durch die enge Kooperation mit dem
Ländlichen Fortbildungsinstitut in Kärnten sowie mit den von der Europäischen Union geförderten Projekten Europe Direct (Informationsnetzwerk für EU-Bürgerinnen) und Interreg (Europäischer Fonds für regionale Entwicklung) hat sich das Bäuerliche Bildungshaus Schloss Krastowitz zu einer Bildungsdrehscheibe für die Alpe-Adria-Region entwickelt. Rund 950 Veranstaltungen mit ungefähr 22.000 TeilnehmerInnen beweisen die Richtigkeit des eingeschlagenen Weges.
Secondary literature:
50 Jahre Bäuerliches Bildungshaus Schloss Krastowitz, Klagenfurt 2007.
Erker, Konrad: Von Maria Theresia zur EU; Geschichte und Wirken der landwirtschaftlichen Berufskörperschaft in Kärnten. Klagenfurt 2003.
Fritz, Karl: Dokumente aus der Geschichte des landwirtschaftlichen Schulwesens in Kärnten. Klagenfurt 1965.
[ MOVE ON ]
[ BACK ]