Österreichisches Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum
In Erkenntnis der Wichtigkeit der Statistik für die Verbreitung volkswirtschaftlicher Kenntnisse betrieb der Nationalökonom
Otto Neurath gegenüber den führenden Vertretern des Roten Wien den Ausbau des bereits bestehenden, von ihm eingerichteten „Museums für Siedlungs- und Städtebau“ zu einem allgemeinen „Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum“.
In diesem Museum sollte durch visualisierte Aufbereitung die Statistik „zur Waffe des Proletariats“ im Kampf um die Demokratisierung des Wissens gemacht werden. 1924 kam es schließlich zur Gründung unter Mitwirkung der Stadt Wien, der Arbeiterkammer und der Sozialversicherung. Otto Neurath wurde zum Direktor bestellt.
ISOTYPEInnerhalb weniger Monate wurde ein Museumskonzept ausgearbeitet und in die Tat umgesetzt. Das Museum umfasste anfänglich drei Abteilungen: „Arbeit und Organisation“, „Lebenslage und Kultur“ und „Der Mensch in der Welt“. Großflächige Schautafeln erläuterten mit eingängigen Illustrationen die verschiedenen Lebensbereiche des Menschen. Einen kongenialen Mitarbeiter gewann Otto Neurath in dem Grafiker Gerd Arntz, der im Jahr 1928 als Mitarbeiter in das Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum eintrat. Vor allem Arntz entwickelte die Wiener Methode der Bildstatistik zum System ISOTYPE (International System Of Typographic Picture Education) weiter. Die Grundgedanken dieser Darstellungsform waren:
• Wiedergabe einer Menge durch die entsprechende Anzahl gleicher Zeichen
• die Zeichen müssen standardisiert sein, um ihre Wiedererkennung auch in anderen Zusammenhängen zu ermöglichen
• Farbgebung in gedeckten Tönen
Die Idee des Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseums fand weltweit Anklang. Vor allem die Sowjetunion erkannte den Wert der visuellen Aufbereitung volkswirtschaftlicher und historischer Sachverhalte für volksbildnerische Zwecke. Otto Neurath wurde nach Moskau eingeladen, mit dem Aufbau des Instituts ISOSTAT beauftragt und verpflichtet, sich 60 Tage im Jahr in der sowjetischen Hauptstadt aufzuhalten.
Geschichtlicher ÜberblickIm Zuge der Schulreform
Otto Glöckels erlebte das Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum einen regen Zuspruch seitens der Schulen. 1927 konnte das Raumproblem einer längerfristigen Lösung zugeführt werden, so dass das Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum neben seiner Ausstellungstätigkeit auch zur Herstellung von Unterrichts- und Informationsmaterialien übergehen konnte. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die „Bunte Welt“, die sich vor allem an Kinder als Publikum wandte.
Nach der Niederwerfung des Arbeiteraufstandes im Februar 1934 wurde das Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum durch das neue Regime vorerst einmal aufgelöst, wenig später dann als Österreichisches Institut für Bildstatistik weitergeführt. Unter der nationalsozialistischen Regierung erhielt die Einrichtung den Namen „Institut für Ausstellungstechnik und Bildstatistik“.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum auf Betreiben des damaligen Staatssekretärs Franz Rauscher als überparteilicher Verein „Österreichisches Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum“ wieder gegründet. Nach mehrmaligem Wechsel des Standortes konnte im Jahr 1962 in einem ehemaligen Schulgebäude in Wien 5., Vogelsanggasse 36 ein bleibendes Domizil gefunden werden.
Die Zusammenarbeit mit Schulen – berufsbildenden Schulen, aber auch Hochschulen – wird durch Führungen durch das Museum und durch Beratung bei der Herstellung von Lehr- und Lernbehelfen gepflegt. Publikationen in Fortführung der Bildstatistik und fallweise gezeigte Ausstellungen auf großformatigen Schautafeln im öffentlichen Raum, wie beispielsweise den Passagen in U-Bahn-Stationen, ergänzen das Bildungsangebot. Zudem führt das Museum zahlreiche Veranstaltungen zu tagesaktuellen politischen und wirtschaftlichen Themen durch.
Secondary literature:
Hartmann, Frank/Bauer, Erwin: Bildersprache. Otto Neurath – Visualisierungen, Wien 2002.
Evamy, Michael: World Without Words, London 2003.
Mulley, Klaus-Dieter: Demokratisierung durch Visualisierung. Zur Geschichte des Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseums in Wien. In: Konrad, Helmut/Maderthaner, Wolfgang (Hg.): Neuere Studien zur Arbeitergeschichte. Zum fünfundzwanzigjährigen Bestehen des Vereins für Geschichte der Arbeiterbewegung. Bd. 3. Wien 1984, S. 747-763.
Stadler, Friedrich (Hg.): Arbeiterbildung in der Zwischenkriegszeit. Otto Neurath – Gerd Arntz, Wien-München 1982.
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