Eugenie Schwarzwald
1872-1940
Die Gründerin und langjährige Leiterin der „Schwarzwaldschulen“ wurde als „Genia“ Nußbaum in Polupanowka in der Nähe von Tarnopol in der Ukraine geboren, maturierte in Czernowitz und studierte von 1895, als an österreichischen Universitäten Frauen noch nicht zum Hochschulstudium zugelassen waren, bis 1900 in Zürich Philosophie und Germanistik. 1901 übernahm sie in Wien von
Eleonore Jeiteles das Mädchenlyzeum am Franziskanerplatz und erweiterte es zu einem Schulzentrum für Mädchen mit Volksschule, Gymnasium und allgemeinen Fortbildungskursen. 1911 richtete sie ein 8-klassiges Mädchenrealgymnasium in der Wallnerstraße ein, wo namhafte Lehrer wie Oskar Kokoschka,
Adolf Loos – er unterrichtete Architektur und gestaltete den Dachgarten der Schule, wo bei Schönwetter der Turnunterricht stattfand - Arnold Schönberg, Egon Wellesz, Otto Rommel und
Hans Kelsen unterrichteten und wo Mädchen zum ersten Mal in Österreich die Möglichkeit zur Matura im Rahmen einer eigenen Schule geboten wurde. Eugenie Schwarzwald stand mit Maria Montessori in Kontakt und entwickelte eine Pädagogik auf der Basis von Kreativitätsförderung und Gewaltfreiheit. Ihre eigene Schulzeit und die hier erfahrene Menschen- und Bildungsfeindlichkeit fasste die „Fraudoktor“ prägnant ihn einem Satz zusammen: „Die Schule war der reinste Ausdruck der Anschauung, daß Jugend nichts sei als ein peinlicher Übergang.“
Ihre Wohnung in der Josefstädterstraße erreichte Berühmtheit als Salon und Treffpunkt des Wiener Kulturlebens, wo sich etwa
Elias Canetti,
Egon Friedell, Peter Altenberg, Robert Musil oder Lou Andreas-Salome zum Gespräch trafen. Während des Ersten Weltkriegs organisierte Eugenie Schwarzwald soziale Einrichtungen wie Gemeinschaftsküchen, Alters- und Erholungsheime, Wohnheime für Lehrmädchen sowie Ferienheime für Großstadtkinder.
Als eine der ersten Frauen, die ab 1901 Kurse an der
Volkshochschule Volksheim Ottakring hielten, war die promovierte Germanistin, die mit einem Deutschkurs reüssierte, über Jahrzehnte hinweg als aktive Mitwirkende den Volkshochschulen verbunden. Aus Anlass des 25-jährigen Jubiläums der Volkshochschule Volksheim Ottakring verfasste Schwarzwald für die „Neue Freie Presse“ einen umfangreichen, stark
autobiografisch geprägten Beitrag zur „stillen Großtat“ der Bildungsarbeit an dieser Einrichtung.
1938 war sie als Jüdin zur Emigration gezwungen. Es gelang ihr die Flucht in die Schweiz. Ihr Besitz wurde beschlagnahmt und ihre Schule wurde gesperrt. Sie starb in Zürich.
Secondary literature:
Robert Streibel (Hrsg.), Eugenie Schwarzwald und ihr Kreis, Wien: Picus Verlag 1996, 191 S.
Hans Deichmann, Leben mit provisorischer Genehmigung. Leben, Werk und Exil von Dr. Eugenie Schwarzwald (1872-1940), Berlin-Wien-Mühlheim a.d. Ruhr: Verlag Leykam 1988, 384 S.
Renate Göllner, Mädchenbildung um Neunzehnhundert. Eugenie Schwarzwald und ihre Schulen, Dipl.-Arb., Univ. Wien 1987, 246 Bl.