Author/Authoress: | Hartmann, Ludo Moritz |
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Title: | An die Herren Vortragenden |
Year: | 1897 |
Source: | Bericht über die volksthümlichen Universitätsvorträge im Studienjahre 1896/97, Wien 1897, S. 15-16. |
[S. 15] „Das Comité für die volksthümlichen Universitätscurse hält es für angemessen, den Herren Docenten dieser Curse mit Rücksicht auf die Neuheit und Schwierigkeit der von ihnen übernommenen Aufgabe im Folgenden die Hauptpunkte zusammenzustellen, aus welchen eine Richtschnur für die Art und Weise des Vortrages und des Unterrichtes gewonnen werden kann.
„Wenn der Vortrag nützlich wirken soll, so muss er vor allem klar sein. Der Vortragende darf gar keine Kenntnisse in dem von ihm vorgetragenen Wissensgebiete bei seinen Hörern voraussetzen und soll namentlich auch technische Ausdrücke und Fremdworte so lange vermeiden, bis er sie erklären konnte. Er wird gut daran thun, überall, wo es angeht, an Vorgänge anzuknüpfen, die den Hörern aus der Erfahrung des täglichen Lebens bekannt sind; die Hörer der volksthümlichen Curse sind den Schülern der Mittelschulen an praktischer Erfahrung um ebenso viel überlegen, wie sie hinter ihnen an theoretischem Wissen zurückstehen. Deutlicher als die beste abstracte Auseinandersetzung ist die Anschauung, wenn sie mit der Erklärung des beobachteten Vorganges verknüpft wird.
„Der Vortragende muss frei sprechen, um den dringend nothwendigen innigen Contact zwischen Lehrer und Schüler in jedem Augenblicke aufrechtzuerhalten, um jeden Theil seines Vortrages nach der Auffassungsfähigkeit seines Publicums in jedem Augenblick ummodeln zu können; alle Erfahrungen beweisen, dass gelesene Vorträge die Hörer abschrecken. Der Vortragende kann vom Publicum verlangen, dass es seinen Gedankengängen folgt, wenn diese logisch und sprachlich klar sind, und wenn der Gegenstand an sich Interesse erweckt. Er braucht deshalb nicht den ernsthaften Lehrzweck der Vorträge aus dem Auge zu lassen, um ein rein äußerliches Interesse durch Heranziehung schiefer Analogien oder durch ein Überwuchern von nicht zur Sache gehörigen oder nicht erklärten Demonstrationen zu erwecken.
„Auch das Programm, das jeder Hörer vor Beginn der Vorlesungen erhält, soll dazu beitragen, den Schülern das Verständnis zu erleichtern, indem es ihrem Gedächtnisse zuhilfe kommt und Literaturangaben bietet, die es ermöglichen, den Gegenstand der Vorträge weiter zu verfolgen.
[S. 16] „Der Anbahnung eines engeren Verhältnisses zwischen Lehrer und Schüler soll auch der Unterricht dienen, der sich regelmäßig (im Umfange von einer halben bis zu einer Stunde) an den Vortrag anschließen soll. Der Vortragende soll sich bemühen, die anfängliche Schüchternheit der Schüler zu überwinden, indem er ihnen leichte Fragen stellt, die in der nächsten Woche von den sich meldenden Hörern zu beantworten sind. Ferner soll er die Hörer anfeuern, selbst Fragen zustellen, die sich auf schwierigere Theile des Gegenstandes oder auf Gegenstände beziehen, die mit dem Vortrage im Zusammenhang stehen. Auch schriftliche Beantwortung von Fragen soll ermuntert und zugelassen werden. Die Fragen sollen sich möglichst an das Programm anschließen, das jeder Hörer in der Hand hat. So soll der Unterricht zur Vertiefung und Erweiterung des Wissens und zur Aufmunterung der Hörer zu selbständigem Weiterstudium mit Hilfe der Handbibliotheken dienen.
„Es kann den Vortragenden nichts mehr ans Herz gelegt werden, als dass sie nicht glauben, dass ihre Aufgabe mit dem Vortrage abgeschlossen ist, dass vielmehr ein wesentlicher Teil ihrer Wirksamkeit in die persönliche Berührung mit den Schülern zu verlegen ist, durch die sie den Unterricht individualisieren und vertiefen und selbst das erlernen können, was für eine fruchtbringende Wirksamkeit das Wichtigste ist: die genaue Kenntnis der Hörerschaft, und durch die sie das gewinnen müssen, was die Basis des ganzen Systems einer freiwillig besuchten Schule ist: das Vertrauen der Schüler.“
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