Author/Authoress: | Vater, Stefan |
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Title: | Erwachsenenbildung in Island |
Year: | 2004 |
Source: | Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung, 55. Jg., 2004, H. 211, S. 35-37. |
Abstract: | Der Text liefert einen Überblick über die Erwachsenenbildungslandschaft in Island. |
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Island ist mit 103.000 Quadratkilometern die zweitgrößte Insel Europas und 1,25-mal so groß wie beispielsweise Österreich. Allerdings leben auf der Insel nur 279.384 Menschen, davon rund 150.000 in der Hauptstadt Reykjavík. 23 Prozent der Bevölkerung sind unter 15 Jahre (48 Prozent davon sind weiblich), 65 Prozent zwischen 15 und 65 Jahren (49,6 Prozent davon sind weiblich).
Island liegt weit nördlich im Nordatlantik, nahe dem Polarkreis ist aber gleichzeitig das westlichste Land Europas. Erst 1944 wurde Island ein eigenständiger Staat, davor war es Teil Dänemarks.
Die Insel ist vulkanischen Ursprungs, viele Vulkane sind nach wie vor aktiv und geothermische Energie liefert in Island Strom und Wärme. Island ist nur zu einem fünftel mit Vegetation überzogen, nur rund 1,1 Prozent dieser Fläche werden genutzt. Fischfang ist der Hauptwirtschaftszweig Islands.
Die erste Erwachsenenbildungsinstitution Island, die „Reykjavík Municipal Evening School (Námsflokkar Reykjavíkur - http://www.namsflokkar.is)“ wurde 1939 gegründet. Davor gab es verschiedene Initiativen, Versuche und Projekte von Einzelpersonen und Organisationen Bildung für Erwachsenen anzubieten. Das Programm der “Reykjavík Municipal Evening School” war schwerpunktmäßig nach Arbeitsschluss. Es eröffnete die Möglichkeit nicht unmittelbar beruflich verwertbare Bildung, sowie eher akademische oder praxisrelevante Kurse in den Abendstunden zu besuchen. Mit der Zeit boten verschiedene größere Gemeinden ähnliche Programme an. Mit der Zeit wurde die Nachfrage nach formalen Abschlüssen höher und 1972 gab es erstmals Angebote, Schulabschlüsse nachzuholen (miðskólapróf oder gagnfræðapróf). Ebenfalls in den 70ern startete die “Reykjavík Municipal Evening School” mit beruflicher Bildung im eigentlichen Sinn, beispielsweise auch mit Trainingsangeboten für Arbeitslose. In den 70ern und 80ern wuchs die Zahl der BildungsanbieterInnen im Bereich der Erwachsenenbildung. Verschiedene Institutionen wie das “Hamrahlíd Junior College (Menntaskólinn við Hamrahlíð)” oder verschiedene Schulen der “upper secondary” (2) boten unter anderem auch Kurse zur Nachholung des Schulabschlusses an. Seit 1989 gibt es Erwachsenenbildung auf Universitätsebene durch das “Institute of Continuing Education at the University of Iceland (Endurmenntunarstofnun Háskóla Íslands)”. Seit 1997 erlaubt die gesetzliche Lage durch Kooperationen von Schulen, Gemeinden, Betrieben und Vereinen die Etablierung von Zentren des Lebenslangen Lernens „lifelong learning centres“.
Island hat kein spezifisches „Erwachsenenbildungsgesetz“, Teilbereiche der Erwachsenenbildung werden in verschiedenen Gesetzen wie dem „Act on Upper Secondary Education“ (1996), dem „Act on Vocational Training in Business and Industry“ (1992) oder dem „Act on Labour Market Measures“ (1997) geregelt. Diese Gesetzte betreffen Abendschulen oder Zentren für Lebenslanges Lernen (Act on Upper Secondary), berufliche Bildung (Act on Vocational Training in Business and Industry) oder das Recht auf Bildung während Phasen der Arbeitslosigkeit (Act on Labour Market Measures).
1998 präsentierte die isländische Regierung einen 5-Jahres Plan zur Förderung von Lebenslangem Lernen, in diesem Plan wird festgehalten, dass die Verantwortung für Erwachsenenbildung die Regierung, die Sozialpartner (ArbeitnehmerInnenvertretungen und ArbeitgeberInnenvertreter), öffentliche Institutionen, Betriebe und die Individuen gemeinsam tragen. Die Grundverantwortung im ministeriellen Bereich liegt beim Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur. Die Regierungsverantwortung im Bereich des LLL wird allerdings gleichzeitig hauptsächlich in der Sicherstellung guter Grundausbildung festgehalten.
Eine wesentliche Verankerung von Bildungsrechten liegt auf der Ebene von Arbeitsverträgen, in denen von Gewerkschaften und ArbeitnehmerInnenvertretungen Bildungsrechte ausverhandelt wurden. Arbeitsverträge beinhalten somit weitverbreitet ein Recht auf Bildung, teilweise sogar mit festgelegten Lohnerhöhungen bei Bildungsaktivität. Die Finanzierung ist unterschiedlich, von der Vollfinanzierung durch den jeweiligen Arbeitgeber bis zum unbezahlten Recht sich weiterzubilden.
* Municipality Schools (lokale gemeindeunterstützte Bildungszentren)
* Upper Secondary Schools, Universitäten
* Lifelong Learning Centres
Erwachsenenbildung wird in Island meist durch öffentliche Institutionen (Schulen, die ein Recht auf die Durchführung von Erwachsenenbildungsveranstaltungen besitzen) oder in einer Kooperation von Gemeinden, Privatschulen und Sozialpartnern angeboten. Viele Angebote werden „distance-learning“ gestützt durchgeführt. Über den Bereich der Erwachsenenbildung an lokalen gemeindeunterstützte Bildungszentren oder durchgeführt durch Vereine gibt es kaum Daten und Unterlagen. Die Angebotspalette der “Reykjavík Municipal Evening School” und auch anderer Bildungszentren ist durchaus dem einer mittelgroßen österreichischen Volkshochschule vergleichbar. Guðný Helgadóttir erwähnt in ihrem Artikel zu einer Strategie lebenslangen Lernens in Island (3) zwei Verbände der freien Erwachsenenbildung in Island:
* Der Arbeiterbildungsverband (Menningar- og fræðslusamband alþýðu http://www.asi.is/default.asp?cat_id=49)
* Símennt, ein Bildungsverband des Isländischen Hausfrauenverbandes, des Isländischen Bauernbundes und des Isländischen Jugendverbandes.
Für Angebote an (Bundes-) Schulen gilt eine Übernahme von einem Drittel der Personalkosten der Lehre durch die BildungsteilnehmerInnen, die allerdings teilweise oder zur Gänze von Gewerkschaften und ArbeitnehmerInnenverbänden refundiert werden. Der Rest wird vom Staat finanziert, für alle StaatsbürgerInnen besteht das Recht ohne Alterslimit die Upper-Secondary (am ehesten vergleichbar mit der österreichischen Oberstufe) abzuschließen. In den staatlichen Bildungszentren (LLL-centres oder Institute for Continuing Education an der Universität Reykjavík) gilt die Regel einer Übernahme der Lehrkosten durch die BildungsteilnehmerInnen, auch hier können Kosten durch verschiedene sozialpartnerschaftliche Verbände refundiert werden, teilweise gibt es auch staatlich voll finanzierte und somit kostenlose Programme (z.B. für ImmigrantInnen).
An den Abendschulen der Gemeinden müssen die Lehrkosten durch die BildungsteilnehmerInnen bezahlt werden.
Wie bereits festgehalten können Schulen (Upper-Secondary) Spezialprogramme für Erwachsene anbieten (über 18 Jährige), daneben besteht das Recht für alle Erwachsenen den regulären Unterricht dieser Schulen kostenfrei zu besuchen, sofern sie ihre entsprechende Schulausbildung noch nicht abgeschlossen haben. Schule sind auch berechtigt mit Gemeinden, ArbeitgeberInnen- oder ArbeitnehmerInnenorganisationen oder Betrieben LLL-Zentren zu gründen und zu betreiben.
Derzeit gibt es 9 solcher Zentren, in verschiedenen Regionen und in Reykjavík. Diese Zentren ersetzten das Vorläuferkonzept der „reisenden Schule“ (4), deren Ziel es war Bildung dort anzubieten, wo Menschen leben.
Im Herbst 2002 beteiligten sich rund 3,900 Menschen in Erwachsenenbildungsprogrammen im “upper secondary level“ (distance learning inklusive). Die Zentren für Lebenslanges Lernen verzeichneten im Arbeitsjahr 2001/02 rund 7,900 Teilnahmen in kürzen oder längeren Veranstaltungen. Weiterbildungsraten oder Daten für andere Bereiche der Erwachsenenbildung sind nicht verfügbar.
Anmerkungen:
(1) vgl. www.eurydice.org, Datenbankeinträge Iceland. (2) upper secondary school : vergleichbar mit der Oberstufe des österreichischen Schulsystems. (3) vgl. Guðný Helgadóttir: Strategy for Lifelong Learning in Iceland, in: Golden Riches - Nordic Adult Learning, 2/1998, S. 12-14. (4) vgl. Eurydice European Unit , Iceland 2003, 32, Brussels 2003. (http://www.eurydice.org/Documents/struct2/en/Iceland_EN.pdf)