Author/Authoress: | Brandt, Peter |
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Title: | Nationale Weiterbildungsstatistik auf dem Weg nach Europa. Erste deutsche Erfahrungen mit dem „Adult Education Survey“ (AES) |
Year: | 2008 |
Source: | Homepage des „European InfoNet Adult Education“_Info Service Adult Education: Artikel vom 26.2.2008. |
Abstract: | Europäische Bildungsstatistik ist oft so abstrakt angelegt, dass nationale Besonderheiten der Bildungssysteme nicht mehr adäquat abgebildet werden. Diesem Dilemma soll in Zukunft das „Adult Education Survey“ (AES) abhelfen. Der deutsche Testlauf mit seinen Mitte Februar veröffentlichten Daten zeigt, dass nationale und internationale Interessen vermittelbar sind. |
In welchem Umfang nimmt die Bevölkerung an Weiterbildung teil? Diese Frage wird von der Bildungsforschung sehr unterschiedlich beantwortet – je nach zugrunde liegendem Analysedesign. Gerade europäische Statistiken müssen mit einem Grad an Abstraktion arbeiten, die nationale Besonderheiten der Bildungssysteme oft nicht mehr adäquat abzubilden vermögen. Diesem Dilemma soll das „Adult Education Survey“ (AES) abhelfen, ein Berichtskonzept der europäischen Bildungsstatistik, das voraussichtlich ab 2011 für alle EU-Mitgliedstaaten verbindlich wird. Dieses Konzept steht in der Linie des Lissabon-Prozesses, in dem die EU adult learning zuletzt mit einer „Mitteilung“ der Kommission und einem Aktionsplan deutlicher fokussiert hat.
Derzeit wird das Erhebungsinstrumentarium in einigen Ländern erprobt, und aus Deutschland liegen erste Ergebnisse vor. Da zeitgleich mit dem traditionellen deutschen Befragungsdesign Daten erhoben wurden, lässt sich die Kompatibilität der nationalen und der internationalen Untersuchung recht gut messen. Entsprechende Übersetzungsleistungen vorausgesetzt, liegen die Ergebnisse erfreulich nah beieinander, wie auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung findet, das die Repräsentativitätsbefragung nach beiden Arten in Auftrag gegeben hat. Am 19. Februar haben Ministerium und Auftragnehmer, TNS Infratest Sozialforschung und Partner, darunter das German Institute for Adult Education, die Ergebnisse der Fachöffentlichkeit vorgestellt.
Die Forscher errechnen eine Teilnahmequote an Weiterbildung 2007 von 43 Prozent (nationales Modell) bzw. 44 Prozent (internationaler Ansatz). Unter „Weiterbildung“ wird dabei „non-formal education“ verstanden – in Abgrenzung zu „formal education“ und „informal learning“. Im Detail zählen zur non-formal education private lessons or courses (classroom instruction, lecture or a theoretical and practical course), courses conducting through open and distance education or guided on the job training.
Die Konzeption des informal learning nach AES ist auf intentionales Lernen ausgerichtet und entspricht eher dem deutschen Wort „Selbstlernen“. Beim informal learning gehen die Ergebnisse der nationalen und der internationalen Untersuchung erheblich auseinander (Beteiligungsquoten von 39 bzw. 53 Prozent), was dadurch zu erklären ist, dass die internationale Erhebung auch Selbstlernen in der Arbeitszeit einschließt und nicht nur in der Freizeit.
Als zentraler Indikator für Ländervergleiche wird die Beteiligungsquote über alle Lernaktivitäten angesehen (formal, non-formal, informal). Hierbei liegen die Ergebnisse wieder nahe beieinander. So sind rund 70 Prozent der 19-64-jährigen Bevölkerung in Deutschland lernaktiv (69 Prozent AES, 72 Prozent nationale Studie).
In einem Punkt wird sich die nationale Berichterstattung wohl dem Druck internationaler Kompatibilität beugen müssen, so jedenfalls sehen es die Verantwortlichen der hier beschriebenen Untersuchung: Die traditionelle deutsche Unterscheidung in berufliche und allgemeine Weiterbildung ist im europäischen Rahmen nicht anwendbar. So schlagen Bernhard von Rosenbladt und sein Team von TNS Infratest eine innere Differenzierung nach dem subjektiven Zweck der Weiterbildung – „hauptsächlich aus beruflichen Gründen“ oder „mehr aus privatem Interesse“ vor. Gut 80 Prozent der erfassten Weiterbildung sind nach dieser Logik berufsbezogen. Die „berufsbezogene“ Weiterbildung nach AES wiederum teilt sich in betriebliche und individuelle auf. Damit entsteht eine neue Typologie „dreier Weiterbildungsarten“, zu denen in Bezug auf die besuchten Kurse folgende Rangfolge entsteht: Die betriebliche Weiterbildung stellt 60 Prozent, die individuell berufsbezogene Weiterbildung weitere 24 Prozent, die verbleibenden 16 Prozent gehen auf das Konto der nicht berufsbezogenen Weiterbildung. Betriebliche Weiterbildung ist damit bedeutsamer als oft angenommen.