Im Unterschied zu Victor Adler oder Max Winter war für Emil Kläger dieses andere Wien kein Thema, das sich für Zeitungsartikel eignete – von Berichten aus dem Gerichtssaal vielleicht abgesehen. Sein Ausflug in die Wiener Unterwelt blieb ein singuläres Ereignis.
Seine Anspielungen auf das Strafrecht in den „Wiener Quartieren des Elends und Verbrechens“ waren wohl auch – vielleicht sogar großteils – seinem juristisch kundigen Begleiter Hermann Drawe geschuldet. Das Thema Recht, Gerechtigkeit und Strafe ließ Kläger bis an sein Lebensende nicht mehr los. Ein Jahr vor seinem Tod veröffentlichte er den schmalen Band „Das Menschenschutzgesetz. Aufruf und Entwurf“ (1935), in dem er deutliche Worte fand: „Die Gleichgültigkeit gegen den Nachbarn, von Staaten und Einzelnen geübt, ist die große Sünde gegen die Menschheit“, und diese Gleichgültigkeit erzeuge „Gesellschaftsfeinde, die zu Staatsfeinden werden“ und schaffe „das giftige Dungmittel auf dem Brachland, aus dem das tägliche Verbrechen emporwächst“. Ähnliche Argumente fanden sich fast 100 Jahre früher bei Friedrich Engels, der Anfang der 1840er Jahre in England lebte und 1845 „Die Lage der arbeitenden Klasse in England“ untersucht hatte. Engels führt das Fortbestehen der Armut auf die „brutale Gleichgültigkeit, die gefühllose Isolierung jedes Einzelnen auf seine Privatinteressen“ zurück, die umso stärker hervortreten, „je mehr diese Einzelnen auf den kleinen Raum zusammengedrängt sind“. Und tatsächlich erleben die europäischen Metropolen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen derart intensiven Zustrom, dass sie ihren Bewohner-/innen kaum noch Platz bieten können. Die Folgen sind Wohnungsnot, Verelendung, Mietwucher, Probleme also, denen man erst in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts langsam Herr zu werden beginnt. Mit den Texten von Emil Kläger und Max Winter bleibt aber eine Zeit in Erinnerung, die uns als die „Wiener Jahrhundertwende“ oft genug verklärt und romantisiert entgegentritt.