Zeit des Humanismus
Die Anfänge der Erwachsenenbildung gehen im neuzeitlichen Europa auf die Zeit des Humanismus zurück, auf jene Zeit zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert, als es zur Ausbildung des Bürgertums zu einem eigenen wirtschaftlichen und politischen Machtfaktor kam. Ausgelöst wurde diese Entwicklung durch verschiedene Anstöße, von denen fünf hervorzuheben sind:
• eine Bevölkerungszunahme in Italien seit dem 11. Jahrhundert, die zu Bodenmeliorationen zwecks Ernährung der wachsenden Bevölkerung zwang sowie zu Vorkehrungen zur Vorratshaltung und zur Intensivierung des Handels,
• die Kreuzzüge, die den italienischen Seestädten große Einnahmen aus Truppentransporten und Nachschublieferungen einbrachten,
• der Zerfall des staufischen Imperiums im 13. Jahrhundert und die darauf folgende Ausbildung von Kleinfürstentümern und Stadtrepubliken in Italien,
• die Selbstzerstörung der kirchlichen Einheit durch das abendländische Schisma im 14. Jahrhundert, wodurch mit dem Verlust der alleinigen Definitionsmacht der Katholischen Kirche über wahr und falsch auch die Vorrangstellung der Theologie im Kanon der Wissenschaften zu Ende ging,
• die Einwanderung griechischer Gelehrter als Folge der wachsenden Bedrohung des byzantinischen Reichs durch die osmanischen Türken.
Die geistesgeschichtlichen Auswirkungen waren:
• ein neues Selbstbewusstsein der Menschen, die nun die Natur als verbesserungsfähig und verbesserungsbedürftig erkannten,
• die Entwicklung einer diesseitszugewandten Wissenschaftsauffassung mit verstärkter Zuwendung zur Jurisprudenz und zu den naturwissenschaftlichen und technischen Disziplinen,
• vor allem in den Stadtrepubliken (wie etwa in Florenz, Pisa und Siena) eine Neubewertung der antiken Geschichte, da das Bürgertum in den republikanischen und demokratischen Staatsformen Roms und Athens Vorbilder für das eigene politische Handeln erkannte.
Gestützt auf seine wirtschaftlich beherrschende Position forderte das Bürgertum Anteil an der politischen Macht. Zur Legitimation dieses Anspruchs wurde ein Kanon humanistischer Bildung entwickelt, welche als unverzichtbar für jede politische Tätigkeit angesehen wurde. In zunehmendem Ausmaß wurden auch Geburts- und Standesvorrechte des Adels in Zweifel gezogen. Coluccio Salutati und Leonardo Bruni können als die ersten betrachtet werden, die politische Bildung als unabdingbare Voraussetzung für die Bekleidung politischer Ämter erachteten.
Als Stätten der Vermittlung wurden nach antikem Vorbild Akademien (zum Beispiel die Platonische Akademie in Florenz) oder literarische Gesellschaften (vor allem im Deutschen Reich) gegründet. In Wien etwa begründete Konrad Celtis die „Sodalitas litteraria Danubiana“. Beide Arten von Einrichtungen wandten sich an Erwachsene, vorwiegend an Männer, die sich neben ihren bürgerlichen Berufen humanistischen Studien widmen wollten.
In den Ländern nördlich der Alpen lag das Schwergewicht der humanistischen Studien mehr auf literarischem und philologischem Gebiet, da der Weiterbestand der feudalen Gesellschaftsordnung weniger geistige Freiräume bot. Lediglich Thomas More entwickelte in England eine Staatsutopie mit herber Kritik an den bestehenden politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen. Im Zuge der Gegenreformation und des Aufstiegs des fürstlichen Absolutismus verlor die politisch-ideologische Komponente des Bildungskanons auch in Italien an Bedeutung und wich einem stärkeren Pragmatismus und Manierismus.
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