Nach dem ersten Weltkrieg wurden an den Wiener Volksbildungseinrichtungen zahlreiche Kurse und Vorträge zur Berufsberatung abgehalten. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Wiener Berufsberatungsamts referierten im Volksheim Ottakring, im Volksbildungsverein und in der Wiener Urania – beispielsweise zur „sozialpolitischen Bedeutung der Berufsberatung“ (Hans Pamperl, Leiter des Berufsberatungsamtes) oder zur „Berufswahl und Berufsberatung für Mädchen und Frauen“ (Olly Schwarz). Der pensionierte Sektionschef des Sozialministeriums Robert Kauer hielt in den Jahren 1921 bis 1925 an der Wiener Urania den Kurs ‚Berufsberatung‘ ab.
Für kurze Zeit ab 1925 gab es sogar eine Berufsberatungsstelle im Volksheim Ottakring. Sie wurde von Siegmund Kornfeld im Zusammenhang mit der Fachgruppe Philosophie geleitet. Kornfeld hielt schon in den Studienjahren 1920/21 und 1921/22 im Rahmen dieser Fachgruppe eine Übung in experimenteller Psychologie ab, die er mit Berufsberatung verband. In der Zeit der Hochblüte des Volksheimes Ottakring wurde dann eine eigene Berufsberatungsstelle errichtet, nach Kornfelds Tod 1927 allerdings nicht mehr weitergeführt.
Auch erste Überlegungen zur Errichtung von Weiterbildungsberatung wurden in den 1920er Jahren im Zuge der Institutionalisierung der Erwachsenenbildung und der Ausdifferenzierung des Programmangebotes an den Wiener Volksbildungseinrichtungen angestellt. Im Wiener Volksheim wurde überlegt, für neu eintretende Mitglieder einen ‚Einführungszyklus‘ zum Thema ‚Was und wie lernt man im Volksheim‘ sowie eine ständige Studienberatung einzuführen. Die Ideen konnten allerdings nicht umgesetzt werden. Der Wiener Volksbildungsverein bot 1930/31 ‚Einführungen in verschiedene Wissensbereiche‘ an und richtete Beratungsangebote bei Sekretariaten und Dozenten des Hauses ein. An der Wiener Urania gab es 1932/33 eine Beratungsstelle für Fragen der Bildung und Lebensgestaltung.
Insgesamt können die zahlreichen an den Wiener Volksbildungseinrichtungen durchgeführten Kurse und Vorträge zur Berufsberatung auch als Beispiel für die speziellen Volksbildungsangelegenheiten gelten, wie sie in den Erläuterungen zu dem 1919 von Otto Glöckel erlassenen „Regulativ für die Organisation des Volksbildungswesens in Deutschösterreich“ angeführt wurden. Berufsberatung inklusive der Aufklärung darüber und der Information über Bildungsmöglichkeiten wurde als Aufgabe der Volksbildung und ihrer Einrichtungen angesehen.