Arbeiterbildung in der Monarchie
Soziales Umfeld der ArbeiterbildungDie sozialökonomischen Rahmenbedingungen – beengte Wohnverhältnisse, die Ableistung eines 11-Stunden-Arbeitstages (60-Stunden-Woche) – erst 1918/19 wurde der 8-Stunden-Arbeitstag (48-Stunden-Woche) eingeführt – und mangelnde Schulbildung – waren der Durchführung von Bildungsmaßnahmen nicht sehr förderlich.
Anfänge der ArbeiterbildungDie Gründung des „Ersten Allgemeinen Arbeitervereins“ im Juni 1848 ist als Anfangspunkt der österreichischen Arbeiterbewegung zu bezeichnen. Der als Geselligkeits- und Bildungsverein entstandene Verein richtete sich mit seinem Bildungsangebot primär an Handwerksgesellen. Für die FabrikarbeiterInnen wurde der „Radikal-Liberale Verein“ ins Leben gerufen. Mit der Niederschlagung der 1848er-Revolution wurden die Arbeitervereine aufgelöst.
Doch die schlechte wirtschaftliche Lage der Arbeiter führte zu einem neuerlichen Bestreben, sich aus dem Elend befreien zu wollen, denen der österreichische Staatsapparat aus Furcht vor weiteren Aufständen mit Repressionen entgegen trat. Im Zuge der Dezemberverfassung von 1867 wurde ein Vereins- und Versammlungsgesetz erlassen, das die Gründung von „unpolitischen“ Vereinen erlaubte.
Noch im selben Jahr konstituierte sich der „Wiener Arbeiterbildungsverein“ in Gumpendorf. Weitere Filialgründungen (Lesezimmer) und Vereinsgründungen folgten (237 Arbeitervereine in Österreich-Ungarn bis 1870). Ziel dieser Vereine war neben der sozialen Absicherung der Mitglieder (Kranken- und Invaliditätskassen) und der Pflege der Geselligkeit (Gesangs- und Turngruppen) die Politisierung der Arbeiter, um sie zu ermutigen, vom Staat die bürgerlich-demokratischen Rechte (zum Beispiel: Wahlrecht und Pressefreiheit) einzufordern, und zu befähigen, diese auch zu nutzen. Die staatlichen Repressionen (Hausdurchsuchungen, behördliche Schikanen und schließlich Verbot von Arbeitervereinen) und die Richtungsstreitigkeiten innerhalb der Vereine hemmten deren Entwicklung. Der Beschluss eines Koalitionsgesetzes im Jahr 1870, das auch die Bildung von Vereinigungen mit politischen Zielsetzungen ermöglichte, erleichterte die Bildungsarbeit innerhalb der Arbeiterbewegung. Im Jahr 1872 gab es bereits wieder 59 Arbeiterbildungsvereine und 78 Gewerkschaftsvereine.
Im Jahr 1871 erfolgte die Gründung des ersten Arbeiterinnenbildungsvereines, es folgten weitere vier auf österreichischem Gebiet. Der Auflösungen dieser Vereine folgte im Jahr 1890 die Gründung eines Vereins, der länger bestand.
Im Zuge der Gründung der sozialistischen Partei 1889 kam es zu einer kontinuierlichen Entwicklung. Es folgte die Gründung von sozialen Einrichtungen wie der Arbeiterkrankenkasse, der Arbeitsvermittlungsstelle, von Turn- und Gesangsvereinen. Mit diesen Einrichtungen wurden Schritte in Richtung Gleichberechtigung gesetzt.
Organisation und Zentralisierung der Arbeiterbildung Auf dem Hainfelder Parteitag vom 30.12.1888 bis 1.1.1889, dem Gründungsdatum der Sozialdemokratischen Partei, gelang es, die gemäßigten und radikalen Flügel der Arbeiterbewegung zusammenzuführen und die Bildungseinrichtungen zu vereinheitlichen. Die Zusammenführung der Arbeiterbildungsvereine sollte Mehrgleisigkeit unterbinden. Nach und nach wurde die Tätigkeit der Arbeiterbildungsvereine durch die gewerkschaftlichen Bildungsaktivitäten zurückgedrängt. Im Jahr 1908 wurden die Arbeiterbildungsvereine in die Sozialdemokratische Partei eingegliedert.
Nach mehreren organisatorischen Anläufen wurden die Bildungsaufgaben schließlich von der Wiener Zentralstelle für Bildungswesen übernommen. Sie legte bis zum Ersten Weltkrieg ihren Schwerpunkt auf die Organisation des Wiener sozialistischen Vereinswesens. Der Zentralstelle wurde der Unterrichtsausschuss der Wiener Arbeiterorganisationen angegliedert. Es folgten Gründungen von Landesausschüssen in der Steiermark, in Ober- und Niederösterreich – in Kärnten, Tirol und Vorarlberg erfolgte die Konzentration auf die Städte. Die einzelnen Ortsgruppen in den Bundesländern wurden dazu angeregt, selbstständig planmäßige Bildungsarbeit durchzuführen. Die Koordination der Veranstaltungen wurde von der Zentralstelle jedoch bald aus verwaltungstechnischen Gründen aufgegeben.
Neben den sozialdemokratischen Bildungseinrichtungen entstanden jene der christlichsozialen Partei, zum Beispiel der im Jahr 1892 von Leopold Kunschak gegründete Arbeiterverein in Wien. Weiters wurden auch konfessionelle Einrichtungen, wie die katholischen Jünglings- und Mädchenbünde geschaffen. Um die Jahrhundertwende wurde der „Katholische Volksbund“ gegründet, welcher ebenfalls von Arbeitern frequentiert wurde.
Entwicklung der ArbeiterbildungBis 1910 entwickelte sich vor allem in Wien das Arbeiterbildungswesen zu einer Arbeiterkulturbewegung, die alle Altersstufen, Lebensbereiche und Interessensgebiete abdeckte. Zu Bildungsaktivitäten im engeren Sinne kam das Angebot von Freizeit-, Kultur- und Sportvereinen, so dass die ArbeiterInnen fast alle Lebensbedürfnisse in sozialdemokratischen Organisationen befriedigen konnten.
Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 setzte ein massiver Mitgliederschwund ein. Kostenintensive Einrichtungen wie das Bibliothekswesen brachen in den Ländern zusammen. Einzig in Wien wurden noch einige Kurse abgehalten. Ein Zusammenfinden der verbleibenden Mitglieder führte zu einer Erstellung eines Bildungsprogramms, das thematisch unter dem Eindruck des Krieges stand. Doch die Einzug der Männer zum Kriegsdienst brachte die Vereinstätigkeiten schließlich zum Erliegen. Entgegen dieser Tendenz konnte bei der Zahl der parteinahen Mädchenorganisationen ein Aufschwung verzeichnet werden. 1915 gab es in vielen Wiener Bezirken Mädchensektionen.
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